Österreich ist ein Einwanderungsland. Seit 1945 sind hunderttausende Flüchtlinge/ Migranten/Zuwanderer nach Österreich / durch Österreich gekommen, hunderttausende sind geblieben. Nach den Kriterien der Statistik Austria (beide Eltern im Ausland geboren) haben rund zwei Millionen Einwohner "Migrationshintergrund".

Der letzte große Schub von 2015/16 mit rund 125.000 überwiegend muslimischen Personen, die geblieben sind, hat aber viele mentalitär überfordert. Die politische Stimmung ist gekippt. Aber was ist sonst substanziell geschehen? Materiell hat Österreich diese letzte Welle bewältigt. Kein Mindestpensionist, kein Frührentner, kein Student, keine alleinerziehende Supermarktkassiererin, kein Trachtenverein, keine Uni, keine Kultureinrichtung – niemand, wirklich niemand, hat deswegen weniger bekommen. Österreich, mit einem der besten Sozialsysteme der Welt, konnte/kann sich diese Solidarität leisten.

Österreich ist ein Einwanderungsland.
Foto: Christian Fischer

Sie wurde allerdings manchmal missbraucht, sie ist öfter sozusagen schlecht investiert gewesen. Die "Ausländerkriminalität", die von vielen als Folge der Flüchtlingswelle empfunden wird, ist von 35 Prozent Anteil an der Gesamtkriminalität 2010 auf 40 Prozent 2019 gestiegen. Ist "2015" daran schuld? Bei den Haupttätergruppen dominieren Rumänen, Deutsche, Serben. Die Afghanen sind mit rund 6000 die kleinste. Aber sie gehören zu den am wenigsten gebildeten und ausgebildeten Zuwanderern.

Das gilt übrigens auch für einen nennenswerten Teil der "alten" Zuwanderung: Viele Türken kamen aus dem rückständigen Zentralanatolien – und ihre Kinder sind oft nicht aufgestiegen, obwohl schon längst hier geboren. Das ist das eigentliche Problem dieser Zuwanderung.

Abschottung

Die Weigerung vieler türkischstämmiger Personen, ihre relative Abschottung aufzugeben, beziehungsweise die klare Instrumentalisierung durch das Erdoğan-Regime, ist eine Sorge auch von nichtausländerfeindlichen Menschen. Tatsächlich fühlen sich auch viele nicht mehr in ihren stark von fremden Lebensweisen beeinflussten "Grätzeln" wohl.

Das ist aber viel mehr eine Folge einer jahrzehntelangen, gewollten Entwicklung – Stichwort "Gastarbeiter" – als eine des Geschehens von 2015/16. Ganz grob kann man sagen: Die syrischen, irakischen und iranischen Flüchtlinge von 2015/16 haben sich bereits irgendwie "integriert" (vor allem mithilfe von großartigen Mitgliedern der Zivilgesellschaft), bei den Afghanen ist es schwerer.

Aber die Neuankömmlinge von 2015/16 sind fast zu 100 Prozent Muslime. Und die österreichische Mehrheitsmeinung findet, dass zu viele Muslime hier sind, manche, dass sie alles übernehmen werden. Das ist Unsinn, dem Personen mit Autorität widersprechen müssten, aber zum Beispiel der Bundeskanzler tut das nicht. Sebastian Kurz betrachtet praktisch jede Zuwanderung, aber ganz besonders muslimische Zuwanderung, als unerwünscht. Das merkt man letztlich auch an seiner kalten Ablehnung, auch nur ein paar Kinder aus Lagern zu nehmen. Das ist aber schlecht für Lösungen, denn wenn man eines sagen kann: Sie werden nicht mehr weggehen, die "alten" Zuwanderer nicht, aber auch die Flüchtlinge von 2015 nicht.

Ein halbwegs nüchternes Fazit der Jahre 2015/16 könnte lauten: Es war eine Ausnahmesituation, man konnte die Zehntausenden nicht abweisen. In der Form wiederholen wird sich das nicht. Die, die hiergeblieben sind, verursachen großteils kaum Probleme, zu einem kleineren Teil schon. Österreich wird das recht und schlecht bewältigen. Wie das besser ginge, darüber im dritten Teil. (Hans Rauscher, 5.9.2020)