Wladimir Putin und Alexander Lukaschenko verstehen sich sehr gut.

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Sie sind wieder Freunde. Vor der Wahl schien die Beziehung zwischen Russlands Präsident Wladimir Putin und seinem Kollegen aus Belarus, Alexander Lukaschenko, schwer beschädigt: Demonstrativ ließ Lukaschenko vor der Abstimmung 33 Männer der russischen Söldnerarmee "Wagner" in Minsk festnehmen und warf Putin im Wahlkampf Einmischung in die inneren Angelegenheiten vor.

Doch inzwischen musste der 66-Jährige, der sich gern Batjka – Väterchen – nennen lässt, feststellen, dass sich ganz andere Kräfte in seine Wahl eingemischt haben. In erster Linie sind das die belarussischen Wähler, die erst ganz anders abstimmten als von der Obrigkeit festgelegt und anschließend dann auch noch zu einem großen Teil auf die Straße gingen, um das trotz der rüden Einmischung vorher schon intern festgelegte Wahlergebnis von wie üblich 80 Prozent anzufechten.

Alles im Lot

Der Westen wiederum weigerte sich, neben dem Wahlergebnis auch Batjkas Recht auf die Züchtigung seiner seit einem Vierteljahrhundert entmündigten Landeskinder anzuerkennen, was den Langzeit-Staatschef ernsthaft erzürnte. Speziell die Ankündigung von Sanktionen wertete Lukaschenko nun als westliche Einmischung in die inneren Angelegenheiten.

Weil Putin im Gegensatz dazu eigenen Worten zufolge "eine wesentlich größere Objektivität und Zurückhaltung" an den Tag legte, das Wahlergebnis anerkannte, das Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten als "moderat" lobte und Lukaschenko versprach, im Fall des Falles auf dessen persönliche Bitte, aber ohne jede Einmischung Truppen zu dessen Schutz zu schicken, ist zwischen den beiden nun wieder alles im Lot.

Informationen über Nawalny

Moskau und Minsk demonstrieren nun von Tag zu Tag mehr Einigkeit in politischen und wirtschaftlichen Fragen: Während inzwischen russische Journalisten die Arbeit ihrer mit Lukaschenko unzufriedenen und deswegen ausgesperrten Kollegen im belarussischen Staatsfernsehen übernommen haben, sind die 33 russischen Söldner längst wieder in ihrer Heimat. Ihre Anwesenheit in Belarus wurde ganz einfach mit einer ukrainischen Provokation erklärt. Darüber hinaus fand Russlands Außenminister Sergej Lawrow inzwischen 200 "in der Ukraine trainierte Extremisten" in den Reihen der belarussischen Opposition, um die Lage im Nachbarland aufzuschaukeln.

Lukaschenko seinerseits revanchierte sich mit brisanten Informationen zur Nawalny-Affäre. So teilte er dem russischen Premier Michail Mischustin bei dessen Besuch in Minsk mit, dass sein Geheimdienst Telefongespräche zwischen Berlin und Warschau abgehört habe, aus denen ganz klar hervorgehe, dass die Anschuldigungen der deutschen Kanzlerin Angela Merkel Fake seien. "Nawalny wurde überhaupt nicht vergiftet", das alles hätten die westlichen Geheimdienste unternommen, "um – ich zitiere – Putin die Lust auszutreiben, seine Nase in die Angelegenheiten von Belarus zu stecken", verkündete Lukaschenko dem erstaunten Mischustin.

Weitere Kooperation

Während der Visite klopften die beiden auch die weitere Wirtschaftskooperation fest. War zwischen den Nachbarländern bislang das Problem der Gasschulden strittig, hat Lukaschenko diese nun anerkannt. Auch den Widerstand gegen die geplante tiefere Integration hat er aufgegeben. Im Gespräch sind nun eine gemeinsame Steuerpolitik und sogar wieder eine einheitliche Währung – der belarussische Rubel ist wegen der innenpolitischen Lage ohnehin unter Druck.

Und selbst den Export belarussischer Ölprodukte will Lukaschenko als Antwort auf die westlichen Sanktionen nun über russische Häfen umleiten, um das Baltikum und die Ukraine zu bestrafen. Bislang gingen neun bis 9,5 Millionen Tonnen der insgesamt 10,5 Millionen Tonnen Ölprodukte über baltische und ukrainische Häfen. Nun soll dieser Verkehr über den russischen Ostseehafen Ust-Luga umgeschlagen werden.

Plausch bei Putin

Das schädigt zwar die belarussische Wirtschaft, denn allein der Umschlag im Hafen verteuert sich damit auf das Doppelte – und die verlängerten Transportwege über die Eisenbahn sind da noch nicht eingerechnet. Dafür stärkt es die russisch-belarussische Freundschaft und die Autorität Lukaschenkos, der demonstriert, dass er sich vom Westen nichts gefallen lässt.

Und innerhalb der nächsten zwei Wochen wird Lukaschenko dann in Moskau zu einem Plausch bei Putin erwartet. Es wird bereits gemunkelt, dass Lukaschenko dort im Gegenzug für die neutrale Haltung Russlands ebenfalls offiziell und objektiv die Zugehörigkeit der Krim zu Russland und die Unabhängigkeit der von Georgien abtrünnigen Kaukasus-Republiken Abchasien und Südossetien anerkennt. Womöglich unterzeichnet er gleich eine Blankovollmacht, in der er sich verpflichtet, alle außenpolitischen Erklärungen des Kremls zu bestätigen.

Lukaschenkos Gegenkandidatin bei der Präsidentenwahl, Swetlana Tichanowskaja, warnte zwar, dass alle von Lukaschenko jetzt geschlossenen Vereinbarungen nicht lange haltbar seien, da er kein Mandat des Volkes mehr besitze. Sollte er der von Moskau bereits seit langer Zeit erträumten Stationierung russischer Militäreinheiten im Land zustimmen, wäre ein solches Mandat aber zukünftig wohl auch nicht nötig. (André Ballin aus Moskau, 5.9.2020)