Bankfilialen hatten auch während des Lockdowns als kritische Infrastruktur geöffnet, genutzt wurde das Angebot jedoch nur in überschaubarem Ausmaß. Denn auch die heimische Bankenlandschaft hat in der Corona-Krise einen Digitalisierungsschub erfahren, wie aus einer Studie der Boston Consulting Group hervorgeht. Kurzum, Online- und mobiles Banking werden intensiver genutzt, was zulasten von Filialen und Bankomaten geht. "Nichts ist wie zuvor", sagt Lukas Haider, Österreich-Chef der Beratungsgesellschaft. "Hauptgrund ist das veränderte Nutzungsverhalten der Kunden."

Digitale Herausforderer wie die Smartphone-Bank N26 sitzen herkömmlichen Geldhäusern mit ihren mobilen Angeboten im Nacken.
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Und das stellt die Kreditinstitute vor Herausforderungen. "Die Banken merken, dass ihre Filialen leer bleiben", betont Haider. Dennoch räumt er Bankfilialen eine Zukunft ein, wenngleich nicht in altbekannter Form. Vielmehr sieht er die Zukunft in einigen Flagship-Standorten mit umfassendem Serviceangebot, die von vielen kleineren Bankstellen mit abgespecktem Dienstleistungsspektrum flankiert werden. Für viele Kunden im ländlichen Raum wird dies in der Praxis wohl bedeuten: Benötigen sie höherwertige Dienstleistungen, etwa die Finanzierung einer Immobilie oder die Veranlagung größerer Geldbeträge, werden sie den Weg zur nächsten großen Filiale auf sich nehmen müssen. Oder sich am nächstgelegenen Standort per Video beraten lassen.

Der Studie zufolge hat die Filialnutzung in Österreich während der Corona-Krise um 13 Prozent abgenommen, im Gegenzug wird mobiles Banking um 19 Prozent häufiger genutzt. Bemerkenswert: Acht Prozent gaben an, in dieser Phase erstmals diesen Kanal benutzt zu haben. Ähnlich ist die Entwicklung bei Onlinebanking – wobei wohl die wenigsten für Alltagsgeschäfte wieder in Filialen zurückkehren werden. Also wird der Rückbau an Bankfilialen, deren Dichte in Österreich über dem Europaschnitt liegt, wohl anhalten – mit Auswirkungen auf die Bankmitarbeiter. Insgesamt weniger werden es Haider zufolge zwar nicht werden, sich aber der Schwerpunkt aus Filialen in den Hintergrund verlagern.

Personeller Kraftakt

Denn die Banken benötigen IT-Profis zur Entwicklung und Pflege ihrer digitalen Angebote und Infrastruktur, wofür nicht alle Filialmitarbeiter geeignet seien. Haider sieht darin eine Herausforderung für Kreditinstitute, da bis zu 40 Prozent des Personals betroffen seien.

Notwendig ist dieser Wandel jedoch, da Herausforderer wie die Berliner Smartphone-Bank N26 ihnen im Nacken sitzen und dazu zwingen, auch selbst mit Online-Erfahrungen wie bei Amazon oder Google nachzuziehen. "Das ist die Erwartungshaltung der Kunden gegenüber Bankdienstleistungen", sagt Haider. Altmodische Online-Auftritte würden zu unzufriedener Kundschaft führen.

Ringen um Talente

Allerdings konkurrieren die Herausforderer mit klassischen Banken nicht nur um Kunden, sondern auch um die klügsten Köpfe – wobei viele dieser Talente aus Osteuropa stammen. "Da gibt es Chancen und Möglichkeiten, wenn man sich entsprechend positioniert", sagt Haider. Er verweist auf die Wiener Firma Bitpanda, die mit Angeboten rund um Kryptowährungen wie Bitcoin binnen weniger Jahre ein etwa 230 Köpfe starkes Team aus mehr als 40 Nationen aufgebaut hat. Wobei die hohe Lebensqualität Wiens Vorteile bei der Rekrutierung ausländischer Talente bringt.

Weniger begeisterungsfähig zeigt sich Haider für das Konzept der Universalbanken, das seiner Ansicht nach ausgedient hat. Nicht jedes Haus müsse die gesamte Produktpalette selbst anbieten, sondern könne stattdessen Services von Drittanbietern vertreiben. Oder sich gänzlich auf ein Marktsegment spezialisieren wie etwa die Bawag, die sich als Retailbank positioniert habe. (Alexander Hahn, 5.9.2020)