Berlin, Alexanderplatz. Auch hier gibt es nicht nur echte Ampeln.

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In Berlin war am Freitag alles – buchstäblich – im grünen Bereich. Die Corona-Ampel der deutschen Hauptstadt blinkte dreimal grün. Das bedeutet: Die aktuellen Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie müssen derzeit nicht überdacht oder gar verschärft werden.

Drei Farben gibt es im Berliner Ampelsystem – Rot, Gelb und Grün. Die Stadt kommt im Gegensatz zu Österreich also ohne Orange aus. Entwickelt wurde die Methode, um "einerseits die Übertragungsdynamik und andererseits die Belastung des Gesundheitssystems im Blick" zu haben, wie der Stadtsenat erklärt.

Dabei stützt er sich auf drei Indikatoren:

  • Die Reproduktionszahl: Diese gibt an, wie viele Menschen ein Infizierter ansteckt. Ein Wert über "eins" führt zu einer Infektionsdynamik, da jeder Kranke mehr als einen Gesunden ansteckt. Liegt der Wert mindestens an drei Tagen in Folge über 1,1, springt die Ampel auf Gelb. Liegt die Reproduktionszahl mindestens an drei Tagen in Folge bei mindestens 1,2, ist die Stufe Rot erreicht.
  • Zahl der wöchentlichen Neuinfektionen: Gelb wird erreicht, wenn sich 20 Personen je 100.000 Einwohner pro Woche neu infiziert haben. Rot blinkt die Ampel, wenn es 30 Personen sind.
  • Intensivbetten: Die Ampel springt auf Gelb, wenn der Anteil der für Covid-19-Patienten benötigten Plätze auf Intensivstationen mehr als 15 Prozent beträgt. Steigt die Auslastung auf mehr als 25 Prozent, kommt das rote Licht.

Berlin mit seinen 3,7 Millionen Einwohnern hat damit strengere Richtlinien als jene, die in Deutschland der Bund in seinem Notfallplan empfiehlt. Diesem folgend, sind Verschärfungen der Corona-Maßnahmen nötig, wenn in einzelnen Landkreisen oder Städten sieben Tage lang mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern verzeichnet werden.

In Bayern allerdings liegt dieser Wert bei 35 Neuinfizierten, in Berlin eben bei 20 (gelbe Ampel) oder 30 (rote Ampel). Bei einem Wert von 50 gäbe es "zu viele Kranke und Tote", sagt Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD).

Eins, zwei oder drei

Wenn nun zwei der drei Indikatoren bei der Ampel auf Gelb stehen, dann sieht der rot-rot-grüne Senat "Erörterungsbedarf", und "die Vorbereitung möglicher Maßnahmen ist erforderlich". Leuchten zwei Lichter der Ampel rot, dann müssen Maßnahmen umgesetzt beziehungsweise Lockerungen zurückgenommen werden.

Eine der Ampeln war schon auf Rot, die Warnfarbe bezog sich auf eine erhöhte Reproduktionszahl. In den Berliner Bezirken Neukölln und Friedrichshain standen im Juni auch einige Wohnblocks unter Quarantäne. Aber einschneidende Schutzmaßnahmen, die die ganze Stadt betreffen, wurden in Berlin in den vergangenen Wochen nicht eingeführt.

Nach wie vor gilt aber Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln und Geschäften. Wer dagegen verstößt, riskiert ein Bußgeld zwischen 50 und 500 Euro. Ab dem 5. September gilt die Maskenpflicht auch bei Demonstrationen mit mehr als 100 Teilnehmern.

Frankreich und USA

Ähnliche Ampelsysteme wurden auch in anderen Ländern bereits zur Anwendung gebracht. Frankreich etwa teilte sein Territorium schon im Mai in zwei Zonen auf: In den roten Zonen wurden die im März beschlossenen Maßnahmen zum größeren Teil aufrechterhalten, in den grünen standen die Zeichen auf Lockerung. Später kamen noch orange Zonen hinzu.

Farbcodes wurden auch in Irland und in Indien entwickelt, in den USA wiederum gibt es ähnliche Modelle auf der Ebene einzelner Bundesstaaten. Auch in Israel, wo am Donnerstag erstmals seit Beginn der Pandemie mehr als 3000 Neuinfektionen an einem Tag verzeichnet wurden, soll nun ein Ampelmodell die Steuerung der Maßnahmen übernehmen. In Städten und Gemeinden, die als rot eingestuft sind, soll ab Montag ein weitgehender Lockdown in Kraft treten, inklusive Abriegelung nach außen sowie Einstellung des Schulbetriebs und des öffentlichen Verkehrs. Für geringere Risikostufen sind dann weniger einschneidende Maßnahmen geplant, wobei die Ampel wie in Österreich vierfarbig sein soll, also auch mit einer Stufe Orange.

Vorstoß aus Brüssel

In der EU will nun die Europäische Kommission Ordnung in das Chaos bringen. Sie hat am Freitag einen Vier-Punkte-Plan vorgelegt, der unter anderem "gemeinsame Kriterien und Schwellenwerte" für Reisebeschränkungen bringen soll. Zudem soll auch hier ein Farbcode-System zur Kennzeichnung von Risikogebieten einen gemeinsamen Rahmen für Maßnahmen wie Tests oder Quarantäne ermöglichen. Laut EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen soll die europäische Krankheitsbekämpfungsbehörde ECDC dazu "jede Woche eine aktualisierte Karte herausgeben", auf denen die jeweils nationalen Maßnahmen gekennzeichnet sind. Auf dieser würden die einzelnen Regionen je nach Lage grün, orange oder rot dargestellt.

Geht es nach der EU, dann soll selbst Reisenden aus roten Zonen, also Gebieten mit hohen Infektionszahlen, die Mobilität innerhalb der EU nicht verwehrt werden. "Stattdessen empfehlen wir den Regierungen, auf Tests oder Quarantäne zurückzugreifen", so von der Leyen.

Ob diese Vorschläge der Kommission aber aufgegriffen werden, hängt einmal mehr von den Mitgliedstaaten ab. Grund: Die Gesundheitspolitik und die entsprechenden Einreisebeschränkungen sind nationale Kompetenzen. (Birgit Baumann, Gerald Schubert, 4.9.2020)