Bild nicht mehr verfügbar.

In Portland halten die Proteste seit drei Monaten an.

Foto: Reuters / Carlos Barria

Rochester/Louisville – In den USA ist es bei anhaltenden Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt erneut zu Zusammenstößen gekommen. In Rochester im Bundesstaat New York setzte die Polizei Samstagnacht Schlagstöcke, Pfefferspraygeschosse und Tränengas ein, um etwa 2000 Teilnehmer eines Protestzugs zurückzudrängen. Nach Angaben der Polizei missachteten die Demonstranten die Anweisung, den Protest aufzulösen.

Auf die Beamten seien Steine, Feuerwerkskörper und Flaschen geworfen worden. Es war die vierte Protestnacht infolge in Rochester, wo der Afroamerikaner Daniel Prude nach einem Polizeieinsatz im März ums Leben kam. Seine Familie veröffentlichte kürzlich Videoaufnahmen, die zeigen, wie Prude nackt mit einer Haube über dem Kopf von Polizisten zu Boden gedrückt wird. Die sieben beteiligten Beamten wurden mittlerweile vom Dienst suspendiert.

Grand Jury eingesetzt

Die Ermittlungen im Todesfall Prudes bekommen durch den Einsatz einer sogenannten Grand Jury mehr Gewicht. Die Prüfung des Falls Daniel Prude werde an eine Grand Jury übertragen, teilte die New Yorker Generalstaatsanwältin Letitia James am Samstag (Ortszeit) mit. Dies sei "Teil unserer eingehenden Untersuchung des Falls". Eine Grand Jury übernimmt in schwerwiegenden Fällen die Anklageerhebung. Prudes Familie und die Menschen in Rochester hätten "großen Schmerz und Angst durchgemacht", erklärte Generalstaatsanwältin James nun.

New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo begrüßte die Entscheidung, den Fall an eine Grand Jury zu übergeben, als "schnelles, entschlossenes Handeln". "Hinausgezögerte Gerechtigkeit ist verwehrte Gerechtigkeit – und die Bevölkerung von New York verdient die Wahrheit", schrieb Cuomo im Onlinedienst Twitter.

Konflikte in Louisville und Portland

Am Rande des jährlichen Kentucky-Derby-Pferderennens in Louisville stießen Anhänger der Black-Lives-Matter-Bewegung auf etwa 250 mit Pistolen und Gewehren bewaffnete Gegendemonstranten. In einem Park kam es zu Handgreiflichkeiten. Nur wenige Zentimeter voneinander entfernt schrien sich Vertreter beider Seiten an. Nach 45 Minuten räumte die Polizei den Park, doch die Proteste gingen unweit der Pferderennstrecke weiter.

Hunderte Demonstranten skandierten "Keine Gerechtigkeit, kein Derby". Auch gut 250 bewaffnete Mitglieder der schwarzen Miliz NFAC marschierten zu dem von der Polizei bewachten Gelände, zogen dann aber ohne Zwischenfall wieder ab. Louisville ist einer der Brennpunkte der landesweiten Anti-Rassismus-Proteste. Dort starb im März die Schwarze Breonna Taylor, als Polizisten ihre Wohnung stürmten.

Auch in Portland im Bundesstaat Oregon blieb die Lage angespannt. Dort halten die Proteste seit drei Monaten an. Am Donnerstag erschoss die Polizei im angrenzenden Bundesstaat Washington einen 48-Jährigen, der sich selbst als Anti-Faschist bezeichnete. Er wurde wegen Mordes gesucht, weil er vor einer Woche einen rechtsextremen Gegendemonstranten in Portland getötet haben soll.

Blake spricht über Schmerzen

Der durch Polizeischüsse in der Stadt Kenosha schwer verletzte Afroamerikaner Jacob Blake wandte sich vom Krankenbett aus an die Öffentlichkeit. "Es tut weh zu atmen, es tut weh zu schlafen, es tut weh, sich von einer Seite auf die andere zu drehen, es tut weh zu essen", sagte er in einer am Samstag von seinem Anwalt Ben Crump veröffentlichten Videobotschaft.

Dem 29-jährigen Familienvater war am 23. August in Kenosha im US-Bundesstaat Wisconsin vor den Augen drei seiner Kinder von einem weißen Polizisten mehrfach in den Rücken geschossen worden. Er ist derzeit von der Hüfte abwärts gelähmt. Es ist unklar, ob er jemals wieder wird laufen können. Er habe Klammern in Bauch und Rücken, sagte Blake in dem Video, das hunderttausende Menschen im Onlinedienst Twitter sahen. "24 Stunden lang Schmerz, nichts als Schmerz", fügte er hinzu. "Dein Leben und nicht nur dein Leben, auch deine Beine können dir einfach so genommen werden, Mann", sagte Blake mit einem Fingerschnipsen.

Dennoch zeigte der junge Mann sich auch optimistisch: "Es bleibt noch viel Leben zu leben." Er rief die Menschen dazu auf, ihr Leben zu ändern. "Wir können zusammenhalten, etwas Geld zusammenkriegen und unseren Leuten da draußen alles leichter machen, Mann, weil schon so viel Zeit verschwendet wurde." (APA, red, 6.9.2020)