Das Geschäftsmodell von Boulevardmedien: Sensationslust und Erregung.

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Ein Elfjähriger sitzt alleine im Zug zu seiner Großmutter. Er hat gerade erfahren, seine fünf jüngeren Geschwister zwischen einem und acht Jahren sind tot. Seine Mutter hat ihn in den Zug gesetzt. Sie soll die Kinder getötet haben. Der Bub sucht über Whatsapp Kontakt zu Freunden.

Am Tag danach zeigt die große Boulevardzeitung diese verzweifelten Nachrichten des Elfjährigen ihren Lesern, ein zwölfjähriger Adressat gab sie weiter. Die Story steht bald hinter der Bezahlschranke, Zugang kostenpflichtig. Sie zählt dort zu den meistabgerufenen. Der Elfjährige kommt aus Solingen, die Zeitung heißt Bild, Deutschlands größtes Boulevardblatt.

Das Geschäftsmodell von Boulevardmedien sind Sensationslust und Erregung. In Deutschland, Österreich, aller Welt.

Österreichs Regierung legte vorige Woche Gesetzesentwürfe für Persönlichkeitsschutz und gegen Hass, Verhetzung, Gewalt im Netz vor. Sie verbindet die fälligen Regeln und bis zu zehn Millionen Euro Geldbuße für Facebook, Youtube und Co mit Verschärfungen auch für klassische Medien.

Mehr Nachdruck

Verletzen Zeitungen, Sender, Newsseiten Persönlichkeitsrechte von Opfern und Tätern strafbarer Handlungen, nennen sie ihre Namen, bilden sie die Betroffenen ab, schreiben sie ohne rechtskräftiges Urteil von Tätern, dann soll ihnen künftig doppelt so viel Entschädigung wie bisher drohen: bis 40.000 Euro, in besonders schweren Fällen bis 100.000. Ebenso viel droht für üble Nachrede, Beschimpfung, Verspottung und Verleumdung. Medien sollen kein Geschäft machen mit Grenzüberschreitungen bei kalkulier- und überschaubarem Risiko.

Die Regierung könnte dieser offenkundig nötigen Erinnerung der Medien mehr Nachdruck verleihen: Förderungen und womöglich öffentliche Inserate könnten nur an Medien gehen, die sich der Branchenselbstkontrolle des Presserats unterwerfen. Krone und Heute tun das bisher nicht. (Harald Fidler, 6.9.2020)

  • Korrektur: Oe24.at hat Ehrenkodex inzwischen anerkannt In der ersten Version dieses Kommentars wurde auch Oe24 im letzten Satz als Beispiel für österreichische Boulevardmedien genannt, die den Ehrenkodex und den Pressserat bisher nicht anerkennen. Oe24.at hat den Ehrenkodex vor wenigen Wochen anerkannt; diese Information wurde bisher nicht kommuniziert. (fid)