Aleksandar Vučić und Donald Trump im Oval Office.

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Viele rieben sich die Augen, als am Freitag der Text jenes Dokuments auftauchte, das angeblich eine Normalisierung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Kosovo und Serbien bringen soll. Denn jene Punkte des Papiers, die politisch und diplomatisch bedeutsam sind, haben weder etwas mit Wirtschaft noch mit dem Verhältnis der beiden südosteuropäischen Staaten zu tun. Auf der zweiten Seite des Dokuments geht es einerseits um die Anerkennung der Hisbollah als Terrororganisation – im Fall Kosovos ist das nichts Neues –, darum, dass beide Staaten gegen die Diskriminierung von Homosexuellen auftreten sollen, und darum, dass Israel den Kosovo anerkennt.

Der serbische Präsident Aleksandar Vučić und der kosovarische Premier Avdullah Hoti machten gute Miene zum merkwürdig zusammengestoppelten Inhalt des Dokuments, das in Anwesenheit von US-Präsident Donald Trump unterschrieben wurde. Bei den Punkten, die auf dem Papier aufgelistet wurden handelte es sich jedenfalls nicht um eine "wirtschaftliche Normalisierung" zwischen den beiden Staaten, wie dies der Titel versprach.

Alter Hut

Die angeführten Vereinbarungen, Eisenbahn- und Autobahnverbindungen zu bauen, sind ein alter Hut und wurden bereits im Vorjahr unterschrieben. Zudem gibt es im Kosovo auch Kritik an der geplanten Streckenführung dieser Eisenbahn, weil sie in Konkurrenz zu einem Projekt der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung steht, das bereits viel weiter gediehen ist. Es ist fraglich, was davon umgesetzt wird, falls Trump nicht wiedergewählt wird.

Klar ist auch, dass es sich nicht um ein rechtlich verbindliches Abkommen zwischen den beiden Staaten, sondern um zwei Dokumente – jenes für Serbien und jenes für Kosovo enthielten andere Passagen – handelt. Eine Verbesserung der Handelsbeziehungen ist daraus nicht ablesbar, vielmehr haben sich die USA aber per Unterschrift einige Vorteile gesichert. So hat Serbien etwa zugesagt, dass die USA ein Finanzierungsbüro für Entwicklungsprojekte in Belgrad aufmachen können.

Beide Staaten mussten versprechen, ihre Energieversorgung zu diversifizieren. Dies bedeutet, dass die USA von Serbien verlangen, sich von der Gazprom und damit von Russland zu emanzipieren. Beide Staaten mussten indirekt zusagen, dass sie keine chinesischen G5-Technologie verwenden werden, weil Trump in Huawei einen großen Konkurrenten zu den amerikanischen Anbietern sieht. Serbien und Kosovo mussten auch zusagen, US-Technologie für die Verbrechensbekämpfung einzusetzen.

Unterbrechung der Kampagne

Bei dem "Abkommen" handelt es sich also eher um eine Wunschliste aus Washington, die nichts an der Beziehung zwischen den beiden Balkanstaaten ändert. Andere Themen wiederum, wie die wechselseitige Anerkennung der Diplome, die in dem Dokument angeführt wird, sind Angelegenheiten, die bereits seit langem im Rahmen des EU-Dialogs ausverhandelt werden. Und die gemeinsame Bemühung, vermisste Personen und Verbrechensopfer aus dem Krieg 1998 und 1999 aufzufinden, stand bereits auf der Agenda der letzten kosovarischen Regierung.

Für den Kosovo ist es allerdings ein Erfolg, dass Israel den Staat, der früher eine Provinz Jugoslawiens war, und sich im Jahr 2008 für unabhängig erklärte, anerkennen wird. Dass Serbien seine Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen will, dürfte in der EU nicht auf Gefallen stoßen und bei vielen Staaten im Nahen Osten ohnehin nicht.

Als wirklich positiv ist aber zu bewerten, dass das serbische Außenministerium, das vom prorussischen Politiker Ivica Dačić geführt wird, ein Jahr lang seine Kampagne unterbrechen muss, mittels derer Staaten, die den Kosovo anerkannt haben, "überzeugt" werden, ihre Anerkennung wieder zurückzuziehen oder Internationale Organisationen aufgefordert werden, den Kosovo nicht aufzunehmen. Diese Kampagne vernichtete bisher nicht nur viel Geld von serbischen Steuerzahlern, sondern vergiftete auch die Atmosphäre zwischen den beiden Nachbarstaaten. Kosovo versprach wiederum ein Jahr lang nicht zu versuchen, in internationale Organisationen aufgenommen zu werden.

Unklar ist, ob es nach diesem Jahr irgendeine positive Entwicklung geben wird. Denn Vučić nutzte das Treffen in Washington dazu, immer wieder dem heimischen Publikum darzulegen, dass er den Staat Kosovo nicht anerkennen werde, obwohl das gar nicht von ihm verlangt worden war. Er stellte sich also als tapferer Held dar, der keinen Verrat begehen würde. Seine Anti-Anerkennungs-Rhetorik deutet darauf hin, dass er den Schritt auch künftig nicht machen wird. Der von der EU mediierte Dialog steht wegen dieser Verweigerung, die Beziehungen endgültig zu normalisieren, unter keinem guten Stern. (Adelheid Wölfl, 6.9.2020)