Nach der Präsentation der Corona-Ampel bildete sich am Wochenende eine Koalition der Beleidigten.

Foto: APA / Hans Punz

Man könnte das alles, schlug Vizekanzler Werner Kogler (Die Grünen) bei der Präsentation der Corona-Ampel vor, ja auch als positiven Wettbewerb sehen. In der Tat: Das wäre mal eine Abwechslung! Immerhin wird die Lage jede Woche bewertet, die Farbkarten werden jeden Donnerstag neu gemischt. Soll heißen: Man muss sich nicht grämen ob der Gelbschaltung, sondern einfach noch ein bisschen vorsichtiger sein, noch ein bisschen mehr darauf schauen, dass die Corona-Schutzregeln eingehalten werden – und die Chance auf Grünschaltung ist intakt. So würde man das vielleicht in einem anderen Land sehen.

Nicht aber in Österreich: Da bildete sich am Wochenende eine Koalition der Beleidigten. Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger wehrte sich gegen eine "Stigmatisierung als besonderer Risiko-Spot" und verweigert vorerst die Umsetzung. Luger verhält sich wie ein eiliger Autofahrer, der bei Gelb über die Kreuzung fährt und sich einredet, es habe eben noch grün geblinkt. Der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (ebenfalls SPÖ) nahm den Ball des Parteikollegen auf und argwöhnte gleich, hier handle es sich um eine "parteipolitische Ampel". Aber was ist mit dem auf Gelb geschalteten Graz? Ist in ÖVP-Hand. Und Kufstein? Der dortige Bürgermeister kandidierte auf der Liste der "Parteifreien". Die türkis-grüne Verschwörung scheint sich also vorerst in Grenzen zu halten. Wenn das freilich so weitergeht und jede Woche ein anderer Landes- oder Kommunalpolitiker beleidigt reagiert, wird nicht nur der Wiener Wahlkampf mühsam. Die nahende kalte Jahreszeit, in der sich das Leben wieder hauptsächlich "indoor" abspielt, bedarf insgesamt eines strengeren Monitorings. Das zeigen auch die jüngsten, düsteren Prognosen über den möglichen Verlauf der Pandemie in den USA und Europa.

Keine stabile Vertrauensbasis

Gefordert ist kein "nationaler Schulterschluss" wie zu Beginn der Pandemie. Es reicht schon eine Koalition der Vernunft zwischen Bund, Ländern und Kommunen, die sich zumindest darauf verständigt, dass die Ampel nicht die schlechteste Idee war. Es stimmt schon: Die Kommunikation zur Ampel, der häppchenweise Ankündigungskanon der Regierung, schafft keine stabile Vertrauensbasis. Und nicht jede Entscheidung ist inhaltlich schlüssig – wenn etwa Städte mit höheren Infektionszahlen als Linz wie Wiener Neustadt und Steyr dennoch grün geschaltet bleiben. Doch wenn die Ampel von der Bevölkerung akzeptiert werden soll, wäre es höchst notwendig, solche Fragen auf sachlicher Ebene zu klären – und rein föderalistisch machtgetriebene Emotionen zunächst einmal wegzuatmen. Davon hätten alle etwas.

Wenn es nicht gelingt, die Pandemie besser, transparenter und einhellig zu bekämpfen, werden weder Türkis noch Grün noch Rot, Blau oder Pink gewinnen. Dann bekommen nämlich jene Narrenvereinigungen aus Corona-Leugnern und Verschwörungstheoretikern Zulauf, wie sie am Samstag in Wien protestierten und so ganz nebenbei gegen Homosexuelle hetzten. Das wäre mit oder ohne Coronavirus fatal. (Petra Stuiber, 6.9.2020)