Weltpremiere in Zeiten von Corona. Es beginnt schon einmal ungewöhnlich, nämlich mit einem Covid-19-Test. Soll nicht älter als drei Tage sein (alles bestens, danke der Nachfrage). Dann die Veranstaltung selbst. Austragungsort: O2-Arena in Prag. Für Sport- und Konzertgroßveranstaltungen von bis zu 18.000 Besuchern konzipiert, ist es am Premierenabend, behördlich beschränkt, ein Sechsunddreißigstel. 500 geladene Gäste für geladene Autos. Immer ein Sitz frei dazwischen, Abstand halten, Maske tragen. Die Stimmung? Nicht übel, trotz alledem.

Gibt ja auch etwas zu feiern. Škoda ist schließlich heuer 125 Jahre alt, da passt das erste Elektromobil auf MEB-Basis (Modularer E-Antriebs-Baukasten des VW-Konzerns) bestens ins Konzept, und der ebenfalls neue Markenchef Thomas Schäfer begrüßt zunächst die versammelte Politprominenz (darunter Ministerpräsident Andrej Babiš), dann aber auch die Morgenröte einer neuen Mobilitätsära: "Die besten Jahre liegen noch vor uns!"

Der Enyaq wirkt markant und stattlich.
Foto: Stockinger

Weitere Kostproben an zu solchen Gelegenheiten üblichen Floskeln: "Die Vision wird Wirklichkeit." Und mit "Angetrieben von positiver Energie" steigen wir konkret ein in die Causa Enyaq. Die Eltern gaben dem Baby einen klangvollen Namen, erklären den mit dem irischen Enya, was viel mit Leben zu tun hat, und das Q hinten ist als Chiffre für die Škoda-SUVs gut eingeführt. Zur Herleitung könnte man noch die Enaksöhne bemühen, ein alttestamentarisches Riesengeschlecht, wodurch sich hinweisen ließe auf die räumlichen Verhältnisse im Enyaq: riesig. Und mit der Himalaja-Rinderrasse der Yaks, Yaqs in dem Fall, schlösse sich der Kreis zum einstigen Škoda Yeti.

Anders als nach den Studien zu erwarten, bekommt er, bekommen auch die nächsten Elektro-Škodas einen funktionslosen Kühlergrill, der auch LED-beleuchtet werden kann.
Foto: Skoda

Jedenfalls, Stichwort Enaksöhne: "Außen Octavia-Format, innen Superb oder Kodiaq", umreißt Gregor Waidacher, Markensprecher bei Porsche Austria, die Dimensionen, und in der Tat: Was schon beim VW ID.3 so auffällig war, nämlich die ungewohnt großzügigen Platzverhältnisse innen bei Golf-Grundfläche außen, ist umso mehr beim Enyaq ein Aha-Effekt, als wir bei der Weltpremiere erstmals probesitzen.

Kristallklar und schnörkellos auch das Heck. Kurzer Überhang vorn, längerer hinten? Sieht gut aus und bringt 585 Liter Kofferraum.
Foto: Stockinger

Kristallgesicht

Fesch ist er obendrein geworden, der 4,65 m lange E-SUV, und Überraschung: Anders als die Studien hat das Serienmodell nun doch einen Kühlergrill. Sämtliche Befragungen, erläutert Škoda-Chefdesigner Oliver Stefani, hätten ergeben: Grill. Muss. Sein. Also habe man dem entsprochen und der Topversion dieses Antlitzes, das wir in Abwandlungen künftig häufig sehen werden, einen Namen gegeben: Kristallgesicht. LED-beleuchtbar. Ohne Funktion. Reine Designsache.

Großzügig die räumlichen Verhältnisse, luftig die Atmosphäre, hochgradig variabel das Nutzkonzept – und viele "Simply Clever"-Ideen.
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Im Vergleich zu VW – völlig glatte Fronten bei den IDs – geht Škoda damit einen konventionelleren gestalterischen Weg. Was kein Nachteil sein muss.

Grafik: Der Standard

Innen bietet der ökologisch korrekte Fünfsitzer sieben Ausstattungslinien, und damit begeben wir uns noch rasch nach ganz innen, in die Technik, mehr davon dann zur Fahrpräsentation. Fünf Elektromotoren stehen insgesamt zur Auswahl, sobald die Derivate komplett ausgerollt sind – das wird kommenden Sommer sein, wenn zu den 109, 132 und 150 kW starken Hecktrieblern noch die Allradler mit 195 und 225 kW (Enyaq RS) stoßen.

Wie beim ID.3 gibt es drei Batteriegrößen, hier mit 52, 58, 77 kWh Nettokapazität. Die WLTP-Reichweiten pendeln von 340 bis 510 km – circa, denn die endgültige Homologation steht noch aus. Haushaltsstromladen geht mit bis zu elf kW (22 leider nein), Schnellladeleistung für die kleine/mittlere Batterie bis zu 100 kW, für die große bis zu 125.

Gebaut wird Škodas E-SUV nicht in Zwickau wie die ersten zwei VW-IDs (ID.3, ID.4), Seats el-Born und Audis Q4 e-tron, sondern "daheim", im böhmischen Jungbunzlau. Und bei einer Prognose von rund 20.000 Elektro-Neuzulassungen 2021 meint Škoda-Österreich-Chef Max Egger: "Der Enyaq ist für zehn Prozent des Gesamtabsatzes gut." Ein ambitioniertes Ziel. Aber Škoda hat nun mal viel vor für die nächsten 125 Jahre. (Andreas Stockinger, 10.9.2020)