Novak Djokovic wurde in New York disqualifiziert.

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Daviscup-Kapitän Stefan Koubek: "Das Stadion ist leer. Es ist genug Platz vorhanden, um den Ball irgendwohin zu schießen."

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New York – Nach seinem folgenschweren Fehler bei den US Open ist Novak Djokovic einfach davongedüst. Auf dem Beifahrersitz verließ der serbische Weltranglisten-Erste jenen Ort, an dem er seinen 18. Grand-Slam-Titel feiern wollte, aber nach einer Unsportlichkeit gegen eine Linienrichterin disqualifiziert wurde. Er entschuldigte sich via Instagram und verschwand im Großstadtdschungel von New York.

Der letzte Spieler der bei einem Grand-Slam-Turnier ausgeschlossen wurde, war der Österreicher Stefan Koubek. Der ÖTV-Daviscup-Kapitän traf in der zweiten Runde der French Open 2000 während der Partie gegen den Ungarn Attila Sávolt einen Balljungen mit dem Schläger. "Wenn es mit einem durchgeht, wird es schwierig", sagt der Kärntner.

STANDARD: Manche Beobachter empfinden die Disqualifikation von Novak Djokovic bei den US Open als überzogen. Ist der Ausschluss gerechtfertigt?

Koubek: Wenn man in seinem Ärger ein Ballkind, einen Schiedsrichter oder einen Zuschauer trifft, wird man disqualifiziert. Das ist normal, Ende der Durchsage. Ob der Spieler nun Novak Djokovic heißt oder nicht, spielt keine Rolle. Ob es Absicht war oder nicht, spielt auch keine Rolle.

STANDARD: Die einen meinen, Djokovic hätte den Ball weggeschossen, die anderen meinen, er wäre lediglich geschupft gewesen. Wie war es tatsächlich?

Koubek: Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Wirklich geschossen ist der Ball nicht. Geschupft ist er allerdings auch nicht. Da war schon Bewegung dahinter. Er hat die Frau sehr unglücklich getroffen. Wenn er es nochmal probiert, gelingt ihm das nicht. Es war sicher keine Absicht, aber es ist nun mal passiert.

STANDARD: Kann man die Situation einfach mit Pech erklären?

Koubek: So einfach ist es nicht. Das Stadion ist leer, kein Mensch weit und breit. Es ist genug Platz vorhanden, um den Ball irgendwohin zu schießen. Djokovic hat einen Fehler gemacht. Man muss seine Emotionen unter Kontrolle halten. Es ist ja nicht das erste Mal, dass dieses Regelwerk zur Anwendung gekommen ist.

STANDARD: Der letzte Spieler der bei einem Grand-Slam-Turnier disqualifiziert wurde, war 2000 in Roland Garros ein gewisser Stefan Koubek.

Koubek: Ich wollte meinen Schläger zur Bank werfen, er ist am Sand aufgekommen, über die Bank geflogen und hat einen Balljungen gestreift. Es war im Grunde recht harmlos. Trotzdem habe ich noch vor der Disqualifikation meine Sachen gepackt. Da gab es nichts zu diskutieren, selber schuld. Ich war oft emotional.

STANDARD: Gegen wen hat sich Ihr Ärger gerichtet?

Koubek: Meistens gegen den Schiedsrichter, vielleicht mal gegen den Linienrichter. Die Gegner habe ich in Ruhe gelassen.

STANDARD: Moment, Sie haben Daniel Köllerer auf dem Platz gewürgt.

Koubek: Ausnahmen bestätigen die Regel.

STANDARD: Wie schwierig ist es, die Contenance zu wahren?

Koubek: Der eine zuckt früher aus, beim anderen dauert es länger. Wenn es mit einem durchgeht, wird es schwierig. Das weiß jeder, der schon mal angefressen war. Dann macht man sinnlose Dinge.

STANDARD: Djokovic hat in diesem Jahr noch kein einziges Match verloren. Dennoch schreibt er in erster Linie negative Schlagzeilen. Zuerst der Corona-Tenniscluster bei der Adria-Tour, jetzt der unrühmliche Abschied aus New York.

Koubek: Er kämpft um einen besseren Ruf, aber irgendwie geht sich das nicht ganz aus. In seiner Ecke, in seinem Umfeld passieren immer wieder eigenartige Dinge. Das ist schade, denn er spielt großartiges Tennis.

STANDARD: Gewinnt Dominic Thiem jetzt die US Open?

Koubek: Ich hoffe es für ihn. Aber nur weil Djokovic draußen ist, gewinnt Dominic nicht gleich das Turnier. Er muss auf dem Weg zum Titel noch ein paar Kapazunder schlagen, geschenkt gibt es nichts. Aber machen wir uns nichts vor, die Chance ist jetzt größer. (Philip Bauer, 7.9.2020)