Trainingsanzug unterm Pelz: Plakativ vermischt Carrie Mae Weems verschiedene Welten.

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Carrie Mae Weems' Vorhang in der Staatsoper.

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Die Wiener Staatsoper hat eine neue Diva: R’n’B-Sängerin Mary J. Blige thront seit Montag auf dem Eisernen Vorhang des Hauses am Ring. Gehüllt in Pelz und Geschmeide, blickt Blige aber nicht auf das Pu blikum herab, sondern sich selbst prüfend im Spiegel an. Rundum erstreckt sich ein opulentes Setting voll metaphorischer Referenzen auf die europäische Kulturgeschichte und weiße Eliten (der weiße Schwan fungiert als Sinnbild für Eleganz), aber auch bestückt mit traditioneller afrikanischer Kunst und Kopfschmuck.

Seit 1998 wird der nationalsozialistisch etwas belastete, 176 Quadratmeter große Originalvorhang der Staatsoper auf Initiative des Museum in Progress jedes Jahr künstlerisch verhüllt, Queen B. (Mary J. Blige) heißt die Arbeit der afroamerikanischen Künstlerin Carrie Mae Weems. Die 67-Jährige ist berühmt für ihre Fotografien, in denen sie Rassismus, Sexismus, Klassenungleichheit und soziale Marginalisierung nicht nur, aber vor allem der Schwarzen thematisiert. Es geht um Repräsentation und Selbstwahrnehmung.

Gegenerzählungen schaffen

Denn schon als Mädchen fühlte Weems sich und ihre Lebensumgebung nicht von den medial transportierten und stereotypen Bildern Schwarzer erfasst. Der schwarze Körper sei meist missachtet, brutalisiert und als negative Abweichung gezeigt worden. Mit ihrer Kunst will sie Gegenerzählungen schaffen.

Seit 1971 fotografiert Weems. Dafür wird sie gefeiert. 2014 zeigte sie als erste schwarze Künstlerin eine Einzelschau im Guggenheim Museum in New York. Nicht zuletzt erinnert die Inszenierung Bliges auch an Videos von Popsuperstar Beyoncé. Die Kuratoren, u. a. Hans Ulrich Obrist und Bice Curiger, hatten Weems jedenfalls schon vor den Black-Lives-Matter-Protesten heuer ausgewählt.

Wegen Corona konnte Weems nicht anreisen. Das bedauerte Staatsoperndirektor Bogdan Roščić auch mit Blick auf Blige. Sie sei "eine Diva. Und für Diven fühlen wir uns zuständig", will er doch die Sängerin noch diese Saison für ein Konzert ins Haus holen. (wurm, 7.9.2020)