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Michael Cohen: Gefängnis, Hausarrest, Gefängnis, dann wieder zu Hause (Archivbild vom 24. Juli 2020).

Foto: AP / Mark Lennihan

Michael Cohen kannte Donald Trump so gut, dass er zum Beispiel wusste, wie es um dessen Frisur bestellt war, wenn die Haare mal nicht geföhnt waren. Seine goldgefärbten Strähnen hätten bis unter die Schultern gereicht, beschreibt er eine Szene, in der der Milliardär aus der Dusche kam. Wie ein zur Glatze neigender Allman Brother habe er ausgesehen, malt er es aus, anspielend auf die Rockband aus den US-Südstaaten.

Cohen (54) war ein Jahrzehnt lang Trumps Rechtsberater – weniger Anwalt, mehr eine Art Mädchen für alles. In einem Buch, das Dienstag auf den Markt kommt, bezeichnet er sich als einen eigens für die Erledigung unangenehmer Aufgaben eingestellten Gangster – während er seinen Ex-Chef mit einem Mafiapaten vergleicht.

Zudem charakterisiert er ihn als einen Meister der Inszenierung, der kühl kalkuliert und sich hinter den Kulissen ins Fäustchen lacht, etwa dann, wenn es um die Religion geht. Als evangelikale Geistliche vor der Wahl 2016 für ihn beteten, sagte der Kandidat hinterher zu seinem Adlatus: "Glaubst du, dass die Leute an diesen Schwachsinn glauben?"

"Wie ein Alkoholiker"

Wegen Steuerhinterziehung und der Zahlung eines Schweigegelds an die Pornodarstellerin Stephanie Clifford alias Stormy Daniels zu drei Jahren Haft verurteilt, hat der Autor Teile seiner Memoiren hinter Gittern zu Papier gebracht. Im Zuge der Corona-Epidemie wurde er in den Hausarrest entlassen, bevor er auf Betreiben der Regierung wieder zurückkehren musste ins Gefängnis und schließlich, auf einen Richterspruch hin, erneut nach Hause entlassen wurde.

Während das Weiße Haus ihm, dem für schuldig befundenen Straftäter, jede Glaubwürdigkeit abspricht, versucht er zu begründen, warum er Trump so loyal diente. "Wie ein Alkoholiker" habe er sich benommen, süchtig nach Anerkennung, nach Lob. Geblendet habe ihn auch die Aussicht auf den Machtzuwachs durch den Einzug seines Mandanten ins Weiße Haus.

Nähe zu Wladimir Putin

Vieles von dem, was der New Yorker in "Disloyal: A Memoir" schildert, war zumindest in Umrissen bekannt, schließlich hat er seit dem Zerwürfnis mit Trump schon mehrfach aus dem Nähkästchen geplaudert. Dennoch sorgt er für Wirbel, zumal seine Erinnerungen Antworten auf Fragen anbieten, die Beobachter Trumps beschäftigen: Was erklärt etwa die Nähe zu Wladimir Putin? Und woher kommt der Hass auf Barack Obama?

In Putin, schreibt Cohen, sehe Trump das Muster dafür, wie sich ein Mann an der Macht zu verhalten habe. Was ihm an dem russischen Präsidenten imponiere, sei dessen Fähigkeit, die Kontrolle über ein ganzes Land zu übernehmen und dieses Land zu regieren, als wäre es sein Privatunternehmen. Darüber hinaus habe die Bewunderung einen ganz simplen Grund. Trump liebe das Geld, und in Putin sehe er, auch wenn er damit wohl einem Irrtum aufsitze, den mit Abstand reichsten Mann der Welt.

Als er 2008 eine Villa in Palm Beach für 95 Millionen Dollar an den Oligarchen Dimitri Rybolowlew verkaufte – für mehr als das Doppelte dessen, was er selbst bezahlt hatte –, glaubte er, in Wahrheit ein Geschäft mit Putin gemacht zu haben. Der sei der wahre Käufer, soll er seinem Adlatus zugeraunt haben.

Rassismus à la Trump

Dass Präsident Trump so gut wie alles konterkariert, wofür Obama stand, erklärt Cohen nicht zuletzt mit weißem Überlegenheitsgefühl. "Nenne mir ein einziges Land, das von einem Schwarzen gelenkt wird und das kein Drecksloch ist", zitiert er seinen früheren Arbeitgeber.

Nach seiner Skizze spielen denn auch rassistische Ressentiments eine erhebliche Rolle, wenn er über seinen Amtsvorgänger herzieht. Obama, soll Trump gelästert haben, habe nur wegen der "bescheuerten" Affirmative Action an Spitzenuniversitäten wie Columbia und Harvard studieren können. Gemeint ist die Praxis, Afroamerikaner und Hispanics gezielt zu fördern, um ihnen nach Dekaden der Diskriminierung den Zugang zu akademischer Bildung zu erleichtern.

Lange bevor er fürs Weiße Haus kandidierte, soll der Mogul für ein Video einen Mann mit dunkler Haut angeheuert haben, auf dass er sich vor seinen Schreibtisch setze, den Part Obamas spiele und sich herunterputzen und schließlich feuern lasse. Nach Trumps Willen sollte der Streifen 2012 auf dem Wahlparteitag der Republikaner gezeigt werden, was offenbar daran scheiterte, dass der damalige Präsidentschaftskandidat Mitt Romney nichts davon hielt. Was seinerzeit noch fiktiv war, schreibt Cohen, habe Trump später um das "praktische Äquivalent in der realen Welt" ergänzt. (Frank Herrmann aus Washington, 7.9.2020)