Ende August verstarb der schwedische Ökonom Assar Lindbeck. An der Universität Stockholm forschte er unter anderem zur Insider-Outsider-Problematik auf Arbeitsmärkten und zum Wohlfahrtsstaat. Von 1969 bis 1994 war er Mitglied des Preiskomitees der Schwedischen Reichsbank für die Zuerkennung des Wirtschaftsnobelpreises, ab 1980 als Vorsitzender. Einer breiten europäischen Öffentlichkeit wurde er als Vorsitzender der nach ihm benannten Lindbeck-Kommission bekannt, die in den 1990ern Reformen für das damals wirtschaftlich schwer angeschlagene Schweden erarbeitete.

Lindbeck leitete auch ein Vierteljahrhundert das Wirtschaftsforschungsinstitut Institute for International Economic Studies (IIES). Der erste Leiter des IIES war Gunnar Myrdal, dem 1974 der Wirtschaftsnobelpreis gemeinsam mit Friedrich Hayek verliehen wurde, dem Mitgründer und ersten Leiter des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo). Im Paper "Zehn Gebote" hat Lindbeck seine Erkenntnisse darüber zusammengefasst, wie man erfolgreiche Wirtschaftsforschung organisiert.

Die Wirtschaft ist weltweit angeschlagen. Gute Wirtschaftsforschung kann die Politik bei Maßnahmen unterstützen.
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Selbstorganisation, wenige Themen

Ziel eines Wirtschaftsforschungsinstituts soll es sein, international an vorderster Front zu forschen und die Grenzen des Wissens immer weiter zurückzudrängen. Dafür ist das enge Zusammenspiel von theoretischer und methodischer Arbeit und angewandter Forschung essenziell. Sie befruchten sich wechselseitig und stiften so den größten Nutzen. Dabei scheint eine enge Anbindung eines Wirtschaftsforschungsinstituts an eine Universität äußerst hilfreich. Dies illustrieren – neben dem IIES selbst – auch die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute.

Forschungsergebnisse sollen möglichst in hochrangigen wissenschaftlichen Journalen publiziert werden, um von der internationalen wissenschaftlichen Community wahrgenommen und kritisch bewertet zu werden. Damit es überhaupt zu Forschungsergebnissen kommt, die für die Publikation in Spitzenjournalen geeignet sind, ist die Rekrutierung der passenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ganz entscheidender Bedeutung: "Wenn die richtigen Personalentscheidungen getroffen wurden, können sich die Leiterin bzw. der Leiter auf ihre Hauptaufgabe konzentrieren, nämlich eine mitreißende, begeisternde Arbeitsatmosphäre zu schaffen." Es ist wichtig, den Forscherinnen und Forschern möglichst viel Freiraum zu gewähren und ihnen zuzutrauen, sich selbst zu organisieren und ihr Forschungsgebiet selbst zu wählen.

Gleichzeitig muss sich das Institut auf wenige Themen konzentrieren, um jeweils eine kritische Masse an Forscherinnen und Forschern aufbieten zu können und sich nicht zu verzetteln. Ihre internationalen Netzwerke bauen sich die Forscherinnen und Forscher selbst auf, durch internationale Projekte, gemeinsame Publikationen und Konferenzen. Dabei können herausragende Gastforscherinnen und -forscher eine wichtige Rolle spielen. Die Forschungsergebnisse sollen der interessierten Öffentlichkeit präsentiert werden, solange dadurch die Forschungsaktivitäten nicht beeinträchtigt werden.

These mit Erfolg?

Assars "Zehn Gebote" haben sich in der Praxis bewährt. Heute veröffentlicht am IIES ein Team von knapp 30 Professorinnen und Professoren mit ihren internationalen Netzwerken und gemeinsam mit rund 40 Doktorandinnen und Doktoranden in beeindruckender Häufigkeit Publikationen in ökonomischen Topjournalen. Mit nur sieben Personen in der Verwaltung scheint das IIES auch sehr effizient organisiert zu sein.

Für das IIES bildet die Spitzenforschung die Grundlage, um Politikberatung auf dem neuesten Stand und auf einer tragfähigen empirischen und theoretischen Grundlage zu betreiben. Assars "Zehn Gebote" und das IIES sind inspirierend: Spitzenforschung und Politikberatung auf höchstem Niveau schließen einander nicht aus. Im Gegenteil, sie bedingen einander. (Harald Badinger, 10.9.2020)

Harald Badinger ist Professor für Volkswirtschaft an der WU Wien und leitet das Institut für Internationale Wirtschaft. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Globalisierung, wirtschaftliche Integration und angewandte Ökonometrie.
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