Es ist eine o(h)riginelle Idee – und doch so naheliegend: Zum statischen Schaustück verdammt, dümpeln Exponate in den weltweiten Designsammlungen stumm vor sich hin. Wie aber tönt ein Siemens-Tischtelefon mit Kurbelinduktor aus dem Jahr 1900, wie ein VW Käfer von Designer Ferdinand Porsche von 1936 – im Gegensatz zu einem Tatra von 1937, designt von Hans Lewinka? Wie klingt ein Dyson-Staubsauger, wie die berühmte Schreibmaschine Valentine von Sottsass aus dem Jahr 1968? Wie ratterten, rasselten und klackerten die elektrischen oder mechanischen Geräte der Wirtschaftswunderjahre, wie prägten sie phonetisch das Grundrauschen ihrer Zeit – und wie macht sich im Kontrast dazu der akustische Tönekanon des Digitalisierungszeitalters?

Charakteristischer Sound

"Wie können wir Sinn und Funktion unserer Objekte erfahrbar machen?", das fragte sich Angelika Nollert, Direktorin der Neuen Sammlung, die zur Pinakothek der Moderne München gehört – mit rund 100.000 Objekten wohl die größte Designsammlung der Welt. Zusammen mit dem Stuttgarter Sounddesigner Florian Clemens Käppler von der Agentur Klangerfinder GmbH entwickelte Nollert eine Idee: "Die meisten Objekte machen sich im Alltag über integrale, charakteristische Geräusche bemerkbar, die wir eher unterbewusst oder sogar als Störgeräusch wahrnehmen. Erst wenn die funktionalen Geräusche plötzlich anders klingen oder ganz fehlen, merken wir oft, dass ein Gerät kaputt ist. Das zeigt, Töne sind fast so wichtig wie das Objekt selbst und eng mit ihrer Funktion verbunden."

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Telefon von Siemens & Halske von 1950.

Foto: Die Neue Sammlung – The Design Museum (A. Laurenzo); Getty Images

Zudem vermitteln die Funktionsgeräusche Informationen: "Die Dauer des Surrens einer Telefon-Fingerlochscheibe sagt etwas über die angewählte Nummer aus und codiert sie auf diese Weise", erklärt Nollert, die die Tonspuren von 49 Objekten in einer eigens errichteten Klangkabine aufnehmen ließ, manche davon mit bis zu fünf einzelnen Tonspuren. So erlaubt die App "Sound of Design" Museumsbesuchern per Smartphone sowie auch zu Hause über die betreffende Website die charakteristischen Töne aufzurufen und akustisch in die Vergangenheit zu reisen. Wer mag, kann die Retro-Töne von "Sound of Design" sogar fürs eigene Smartphone runterladen.

Stellt sich die Frage, welchen Ton Klangerfinder Florian C. Käppler sich selbst aufs Handy geholt hat? Das Weckerrasseln des Kurzzeitmessers von Max Bill von 1956 – oder doch lieber das penetrante Rasseln des einteiligen Ericofons aus demselben Jahr, das an den Warnton eines U-Boots erinnert? Käppler lacht und sagt: "Ich bin nicht sehr klingeltonaffin, sondern setze da mehr auf Klangökologie. Heißt: Ich halte mein Handy meist stumm und checke die Textnachrichten. Doch gerade in der Produkthaftigkeit der heutigen Welt mit all dem Gedudel und Geklingel geht es darum, für Töne zu sensibilisieren, sich ihre Wirkung bewusst zu machen. Das ist Auftrag und Sinn von App und Ausstellung."

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Fifties-Mixer aus dem Hause Bosch.
Foto: Die Neue Sammlung – The Design Museum (A. Laurenzo); Getty Images

Käppler, Jahrgang 1969, weiß: "Akustische Signale sind für uns mindestens so elementar wie visuelle." Er selbst interessierte sich schon früh für die Wirkung der Klänge, studierte Filmkomposition sowie Jazz- und Popularmusik am Berklee College of Music in Boston, bevor er Schallplattenverträge unterschrieb, mit Bands und internationalen Showstars auf Tournee ging und als Artdirector sowie Klangkünstler für Musik, Film, Events, Museen und Werbung arbeitete.

Aus seinem Atelier stammt unter anderem das tieffrequente Soundlogo mit dem bekannten Herzschlagmotiv für die Automarke Audi. "Erst seit rund 25 Jahren werden Funktionsgeräusche überhaupt in den Designprozess einbezogen", sagt er.

Zudem absolvierte der für seine Audioproduktionen mehrfach preisgekrönte Sounddesigner den Masterstudiengang Master of Fine Arts in New Media an der Donau-Universität Krems, bevor er 2009 den Studiengang Musikdesign an der FH Trossingen mitbegründete, den er seitdem leitet.

Gerade die Schnittstellen zwischen Hörsinn, Geschmackssinn und Sehsinn sind es, die Käppler interessieren. Er erzählt von einem Versuch der Universität von Oxford 2014 namens "The Sound (And Taste) Of Music": "Es ging dabei beispielsweise darum, den Geschmack von Pasta im Zusammenspiel mit Musik zu betonen, als erhebendes Gesamterleben sozusagen."

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70 Jahre alte Rechenmaschine "Facit".
Foto: Die Neue Sammlung – The Design Museum (A. Laurenzo); Getty Images

All die Dinge unseres Alltags mit optimiertem Sound aufzuwerten, davon leben inzwischen ganze Industriezweige: Während sich "foley artists" um die passende Geräuschkulisse für Film und Fernsehen kümmern, helfen Akustikingenieure und Sounddesigner, Töne zu modifizieren, vom wertig klingenden Schlagen der Autotür über das motivierende Ploppen eines Kronkorkens bis hin zum "crunchy" Knuspern von Kartoffelchips auf dem Sofa. Manchmal erfinden sie auch Töne für Dinge, wo gar keine hingehören, einfach, weil es die Funktion verständlicher machen soll oder der Sicherheit dient, zum Beispiel das charakteristische Ticken eines Blinkers oder das Klicken beim Auslösen der Fotokamera von Smartphones.

Soundcollagen

Dabei kann unser schnödes Haushaltsinventar viel mehr als Krach machen: Schon einmal vom Kaffeemühlen-Blues gehört? Vom Olivetti-Schreibmaschinen-Groove oder von der Black-&-Decker-Ballade? Das Wiener Künstlerduo Pfau macht Instrumentalmusik mit ganz profanen Geräten. In eigenen Workshops der Neuen Sammlung namens "Beat the Design" können Teilnehmer unter Anleitung von Alexander Löwenstein und Pia Brüner die einzelnen Objektgeräusche zu coolen Soundcollagen verdichten. Föhn statt Fagott, Handmixer statt Harfe, Telefon statt Tuba – Musik liegt halt auch in der Alltagsluft, man muss nur genau hinhören. (Franziska Horn, RONDO, 7.1.2022)