Wasserstoff als Kraftstoff für Pkws wurde hitzig diskutiert. Viele Anwendungen werden aber im industriellen Umfeld stattfinden.

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Klar ist: Wasserstoff wird in den künftigen Energiesystemen eine wichtige Rolle spielen. Weniger klar sind dagegen die konkreten Ausformungen von Produktion, Verteilung und Nutzung. Man könnte argumentieren, dass Wasserstoff heute dort steht, wo die Elektromobilität vor 15 Jahren stand. Doch der Vergleich hinkt etwas. Denn nun geht es nicht um eine relativ eng gefasste Anwendung in Fahrzeugen. Im Gegenteil: Die Möglichkeiten des Wasserstoffeinsatzes in Mobilität, Industrie oder selbst in Privathaushalten sind enorm vielfältig, das Potenzial zur Transformation ist umso höher.

Ironischerweise scheint ein breitangelegter Einsatz in Pkws, also dort, wo die Wasserstoffdebatte am hitzigsten geführt wurde, recht unwahrscheinlich. Auf politischer Ebene hat die Betonung von Wasserstoff für den Individualverkehr offenbar auch die Nebenfunktion, von Versäumnissen in der Elektromobilität abzulenken. Immerhin werden Europas Wasserstoffstrategien – auch die österreichische – mit ambitionierten Zielen und frischem Geld für die einschlägige Forschung versehen.

Wie hoch die Investitionen sein sollten, dazu scheiden sich die Geister. Die TU Austria – der Verband der TU Wien, der TU Graz und der Montanuniversität Leoben – drängte Ende August etwa darauf, die Mittel in Österreich drastisch zu erhöhen. Um die heimische Strategie erfolgreich umzusetzen, brauche es zumindest eine Milliarde Euro bis 2024 und eine weitere bis 2030. Nur so werde sichergestellt, "dass Österreich – anders als bei der Batterietechnologie – den Anschluss an die globale Entwicklung dieser grünen Schlüsseltechnologie nicht verliert", wird bei TU Austria betont. Auch der ökonomische Impact einer solchen Maßnahme wird hervorgehoben.

Ein Finanzplan wird gleich mitgeliefert: 500 Millionen Euro benötige die Industrie bis 2024 für Prozessumstellungen und Produktionstechnologien, 400 Millionen sollen an industrienahe Forschungskooperationen gehen, 100 Millionen in die Grundlagenforschung. Gleichzeitig verweist man auf bereits laufende Aktivitäten an den Unis: etwa Hycenta, Österreichs bereits seit 2005 bestehendes, einziges allein auf Wasserstoff konzentriertes Forschungszentrum an der TU Graz, die Untersuchung der Wasserstoffgewinnung aus Biomasse an der TU Wien oder die industriellen Speicher- und Versorgungskonzepte der Montan-Uni.

Österreichische und internationale Perspektiven in Sachen Wasserstoff waren auch Teil der Breakout-Session Hydrogenbei den diesjährigen Technologiegesprächen Alpbach. Hycenta-Chef Alexander Trattner sprach bei der vom Wissenschafts-, vom Klimaschutz- und vom Digitalisierungsministerium unterstützen Tagung mit Forschungs- und Wirtschaftsvertretern aus Österreich und dem EU-Raum.

Wasserstoff aus Erdgas

Laurent Antoni von Hydrogen Europe Research in Brüssel betonte etwa, dass trotz des Fokus auf erneuerbare Quellen man in einer Übergangsphase nicht um eine Wasserstoffproduktion aus Erdgas oder – in Österreich ein besonderes Reizwort – mit nuklearen Mitteln umhinkommen werde. Jedes Land müsste diesbezüglich eigene Entscheidungen treffen, so Laurent.

Für Philipp Braunsdorf von der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie in Berlin, liegt der unmittelbare Fokus in Deutschland klar auf Wasserstoffgewinnung aus Elektrolyse mit erneuerbarer Energie. Bis 2030 möchte man die Kapazität um den Faktor 200 auf fünf Gigawatt vergrößern und diese dann bis 2035/40 noch einmal verdoppeln.

In Österreich sieht Klimafonds-Geschäftsführerin Theresia Vogel die Priorität, bei bereits bestehenden Wasserstoffnutzungen anzusetzen und deren fossile Quellen durch erneuerbare zu ersetzen. Ansätze neuer Nutzungen können im Umkreis öffentlicher Verwaltungen etwa bei öffentlichen Verkehrsmitteln entstehen.

Während Horst Steinmüller vom Verein WIVA P&G ein wachsendes Ökosystem an Wasserstoffprojekten in Österreich sieht, betont Markus Lehner von der Montan-Uni Leoben, dass es mehrere verschiedene, parallel angewandte Herstellungstechnologien brauchen wird, um einen großen Wasserstoffbedarf zu decken. Neben Elektrolyse aus Wasser sollte also etwa auch die Gewinnung aus Biomasse oder aus fossilen Quellen in Kombination mit Carbon Capture and Storage (CCS) eine Rolle spielen.

Martin Hackl vom Unternehmen Fronius betonte, dass ein künftiger Wasserstoffmarkt eine Chance für lokale Wertschöpfung sein kann. Selbst die Nutzung in Privathaushalten ist nicht ausgeschlossen. Gleichzeitig sieht er, dass viele Organisationen ihre Chance noch nicht ergreifen: "Viele Unternehmen, die Know-how für die Produktion, Verteilung und Anwendung beisteuern könnten, haben Wasserstoff noch nicht im Fokus." (Alois Pumhösel, 13.9.2020)