Vor allem im Süden Europas wächst die Nervosität wieder. In jenen Ländern, die im Frühling besonders von der Corona-Pandemie betroffen waren und in denen die Regierungen mit der größten Härte an deren Eindämmung gearbeitet haben, droht die Situation abermals außer Kontrolle zu geraten. Doch nicht nur dort. DER STANDARD hat sich umgesehen:

Frankreich

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Panik unter dem Eiffelturm.
Foto: AP Photo/Kamil Zihnioglu

Weil seit 24. August die kritische Schwelle von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern überschritten ist, hat die Hauptstadt Paris eine Maskenpflicht eingeführt — und zwar nicht wie bisher nur in geschlossenen Räumen wie Supermärkten, in der Métro oder auf Ämtern, sondern überall, also auch im Freien. Dies gilt auch im Süden des Landes, in Marseille etwa, wo zudem ein Alkoholverbot nach 23 Uhr verhängt wurde. Allzu oft, so die Behörden, trübe nämlich ausgelassene Partystimmung den Blick auf das Wesentliche: Abstand und Handhygiene. Die Masken könnten aber auch in anderen Landesteilen schnell zurückkehren: In der Nacht auf Montag befand der Staatsrat, das oberste Verwaltungsgericht Frankreichs, nach einem Rechtsstreit den verpflichtenden Mund-Nasen-Schutz auch in den Großstädten Lyon und Straßburg für rechtmäßig. Am Montag wurden schließlich insgesamt sieben Départements zu neuen "roten Zonen" erklärt, darunter die Großstädte Lille, Rouen, Le Havre und Straßburg, wo das EU-Parlament tagt. Die nächsten dort geplanten Sitzungen wurden am Dienstagabend nach Brüssel verlegt.

Indien

Masken in Indiens Zügen.
Foto: Arun SANKAR / AFP

Zu Beginn der Woche ist Indien auf einer traurigen Rangliste einen Platz nach oben gewandert: Mit 4,2 Millionen registrierten Infektionen steht das Land nun auf Platz zwei weltweit und somit vor Brasilien – nur die USA haben in absoluten Zahlen noch mehr Corona-Fälle. Nirgendwo anders steigen die erfassten Neuinfektionen seit Wochen so schnell wie in Indien, zuletzt kamen rund 90.000 Fälle pro Tag dazu. Auch gibt es – anders als in den USA oder Brasilien – keinen Hinweis auf ein Abflachen der Kurve. Besondere Sorgen bereitet den Behörden, dass das Virus inzwischen auch auf dem Land angekommen ist, wo die Gesundheitsversorgung besonders schlecht ist. Neben dem alarmierenden Infektionsgeschehen bereitet der Regierung von Narendra Modi auch die katastrophale Wirtschaftsentwicklung Kopfzerbrechen: Zwischen April und Juni, als ein strenger Lockdown galt, sank das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 23,9 Prozent und damit stärker denn je seit der Unabhängigkeit von Großbritannien 1947. Millionen Indern droht damit der Rückfall in die Armut.

Israel

1.000 leere Sessel vor dem Tel Aviver Rathaus stehen – im wahrsten Sinne des Wortes – für die Toten der Pandemie in Israel.
Foto: JACK GUEZ / AFP

Auch in Israel, das zu Beginn der Epidemie als Musterschüler galt, steigen die Fallzahlen aktuell dramatisch. Fast zehn Prozent aller Corona-Tests fallen positiv aus, seit Tagen kommen 2.000 bis 3.000 Neuinfektionen dazu, am Sonntag überschritt das kleine Land am Mittelmeer die Zahl von 1000 Menschen, die an oder mit Covid-19 gestorben sind. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, anfangs von Bundeskanzler Sebastian Kurz als Vorbild in der Bekämpfung von Corona genannt, räumte inzwischen zu schnelle Lockerungen ein. Die Hotspots aktuell: jüdisch-ultraorthodoxe und arabische Gemeinden und Ortschaften. Seit Montag gelten in 40 Städten und Dörfern wieder strengere Regeln, der anfangs vom Corona-Beauftragten Ronni Gamzu — "ganz Israel ist im Krieg" — geplante Lockdown fiel nach Intervention Ultraorthodoxer aber weniger strikt aus. Von 19 Uhr bis fünf Uhr herrscht in den betroffenen Orten ab sofort eine Ausgangssperre. Ob das jüdische Neujahrsfest Rosch ha-Schana Mitte September so beschwingt wie üblich gefeiert werden kann, weiß bislang aber nur Gott.

Spanien

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Die Strände sind eigentlich Sperrgebiet.
Foto: REUTERS/Nacho Doce/File Photo

Zwischen Barcelona und Cádiz scheint das Licht am Ende des Tunnels ferner denn je. Vergangene Woche stellte Madrids Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso eine düstere Prognose: "Die Menschen infizieren sich gerade, die Kinder infizieren sich gerade, alle infizieren sich gerade." Abermals kristallisiert sich just die Hauptstadt als Spaniens Corona-Hotspot heraus. Fast 500 Infizierte kommen dort auf 100.000 Einwohner; nirgendwo in Europa verbreitet sich das Virus so rasch. Weil, anders als im März, nun vor allem Junge betroffen sind, sind die Krankenhäuser aber – noch – nicht so überlastet wie damals. Ministerpräsident Pedro Sánchez, der sich im Sommer noch für die Rückkehr der Touristen starkgemacht hat, tritt derweil auf die Bremse: Familienfeiern und Partys trügen den Löwenanteil zu der neuerlichen Ausbreitung bei. Die Madrilenen, so die Regionalregierung, sollen sich in Hinkunft höchstens mit neun anderen Freunden oder Verwandten treffen.

Tschechien

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Wenig los am Prager Hauptbahnhof.
Foto: REUTERS/David W Cerny/File Photo

Alarmstimmung auch im Norden: Wegen neuer Rekordwerte bei der Zahl der Neuinfektionen bezeichnete die Weltgesundheitsorganisation am Dienstag die Situation in Tschechien als "besorgniserregend". Ministerpräsident Andrej Babiš hatte zuvor erklärt, dass seine heillos unterbesetzten Behörden die Infektionsketten schon bald nur noch bei ernsten Krankheitsverläufen zurückverfolgen könnten. Und doch ist man nicht untätig: Ab heute, Mittwoch, muss in Prag in Geschäften wieder Maske getragen werden, Restaurants und Bars müssen nachts schließen. (Florian Niederndorfer, 9.9.2020)