Die große Streaming- und Social-Media-Plattform des ORF soll mit Sommer 2021 unmittelbar vor der Bestellung des nächsten ORF-Chefs starten. Das wurde nach STANDARD-Infos am Dienstag ORF-intern einer ersten Hundertschaft von Führungskräften und anderen vom Projekt Betroffenen präsentiert.

Am Mittwoch wird der Stand der Mannschaft von ORF.at in einer Mitarbeiterversammlung vorgestellt. Die Mitarbeiter von Österreichs größtem Newsportal protestieren gerade gegen die Ausschreibung eines weiteren Chefredakteurs für ORF.at, zuständig für Tagesaktuelles und Videoinhalte.

Am Mittwoch wollen auch die ORF-Publikumsräte im Programmausschuss des Gremiums von Projektleiter Roland Weißmann wissen, was die Userinnen und User da erwartet. Das Thema dürfte sie auch am Donnerstag im Plenum des Publikumsrats beschäftigen.

Großevents vertagt, Sportchannel vertagt

Zehn Module soll dieser sogenannte ORF-Player haben, 2021 soll es nach jüngsten Infos mit den Kanälen für Sport, für Information und für Kultur/Wissenschaft/Religion losgehen. Der "Sport Screen" sollte eigentlich schon 2020 zu flimmern beginnen – doch die passenden Großevents Fußballeuropameisterschaft und Olympische Sommerspiele wurden ja Corona-bedingt auf 2021 verschoben.

Der Info-Channel des ORF-Players wurde inzwischen umbenannt: Die Marke Infoscreen hat sich ja die Gewista längst für Display-Nachrichten in öffentlichen Verkehrsmitteln und ihren Stationen gesichert. Nun soll dieser Infokanal des Players "Newsroom" heißen. Der ORF-Player wiederum könnte "ORF On" heißen – eine der Bezeichnungen auch von ORF.at.

"Topos" ist ein Kanal für Kultur, Wissenschaft und Religion, den der langjährige ORF.at-Chefredakteur Gerald Heidegger federführend leiten dürfte. ORF.at bekommt wie berichtet nun einen zweiten Chefredakteur.

Warten auf ORF-Digitalnovelle

Channels, Module und Funktionen des Players brauchen da und dort eine Änderung des ORF-Gesetzes. Bisher verbietet es dem ORF, Videobeiträge zuerst oder alleine fürs Netz zu produzieren. Der ORF darf Sendungen (mit Ausnahmen) bisher nur sieben Tage nach Ausstrahlung zum Abruf anbieten.

Der Medienbeauftragte von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Gerald Fleischmann, kündigte vor dem Sommer eine solche ORF-Digitalnovelle für Herbst an. Die Mitbewerber – Zeitungshäuser mit und ohne TV-Aktivitäten und Privatsender – sahen da aber noch einigen Gesprächsbedarf. Die Novelle dürfte sich nun verzögern.

So illustrierte der ORF 2019 seine Pläne für einen Kultur-/Wissenschafts-/Religionskanal "Topos" im ORF-Player. Inzwischen arbeitet die internationale Designagentur Saffron am Oberflächendesign – sie hat schon für Youtube und Facebook gearbeitet.
Foto: Entwurf ORF

Social-Media-Funktionen und User-Inhalte

Der Player soll die TV-Thek und Rund-um-die Uhr-Streaming der ORF-Programme sowie eine neue Radiothek ("Sounds") und einen Kids-Channel enthalten. Neue Kernmodule sind ein elektronischer Programmführer mit Social-Media-Funktionen wie Kommentierung, Austausch mit Programmmachern und Empfehlung ("Live") sowie ein Channel für usergenerierte Inhalte ("Open Space").

Entworfen hat den Player der langjährige ORF-Stratege und ORF.at-Gründer Franz Manola. Er soll den Player im Projektbeirat begleiten.

Projektverantwortlich ist seit Frühsommer 2020 Roland Weißmann, zugleich stellvertretender Finanzdirektor des ORF und Chefproducer des ORF-Fernsehens. Er wurde zusätzlich Geschäftsführer der ORF-Onlinetochter.

Sonderstellung für Projektleiter

Für das Projekt soll Weißmann eine ähnliche Sonderstellung im ORF-Organigramm bekommen wie Pius Strobl bei Neubau und Sanierung des Küniglbergs als ORF-Standort. Soll (vorsichtig formuliert) heißen: ORF-Mitarbeiter aus allen relevanten Abteilungen sollen ihm in der Sache zuarbeiten.

Bei Strobl las sich die Organisationsanweisung von ORF-Chef Alexander Wrabetz 2019 so: "Alle Dienststellen der Technischen Direktion sind verpflichtet, die Projektorganisation MSO (Medienstandort, Strobl also) sowie die Projektleitung RFT MSO (Rundfunktechnik Medienstandort) bei der Erfüllung ihrer Aufgaben aktiv zu unterstützen und die Aufgaben innerhalb der aus der Terminplanung ableitbaren Fristen umzusetzen."

Ein operatives Komitee soll das Großprojekt ORF-Player ebenfalls begleiten. Dort ist der ORF-Onlinechef und Technikvizedirektor Thomas Prantner an Bord. Er ist Vorsitzender des Aufsichtsrats der ORF-Onlinetochter.

Die Letztverantwortung für das Projekt liegt naturgemäß beim ORF-Alleingeschäftsführer Wrabetz. Der Player wird absehbar auch sein zentrales Projekt für eine – erwartete – Bewerbung für eine weitere Amtszeit als ORF-Generaldirektor im Sommer 2021. Wenn auch die ersten Module des Players on air gehen sollen. (fid, 9.9.2020)