Auch in guten Jahren steigt die Arbeitslosigkeit ab September an. Die Bauwirtschaft könnte es durch Corona 2020 noch schlimmer treffen.

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Es ist eine tiefe Krise, in die Österreichs Arbeitsmarkt regelmäßig nach dem Sommer stürzt. In einem durchschnittlichen Jahr verlieren zwischen Juli und Jänner bis zu 90.000 Menschen zusätzlich ihren Job. Eine der Ursachen dafür: Wenn es kalt ist, herrscht auf einem großen Teilen der Baustellen Stillstand, und die heimischen Unternehmen schicken ihre Mitarbeiter zum AMS. Rund die Hälfte der Zunahme der Winterarbeitslosigkeit ist darauf zurückzuführen.

Ließe sich das ändern? Das versuchen aktuell die Sozialpartner auszuloten. Nach bestätigten Informationen des STANDARD starten Arbeitnehmer und Arbeitgeber diese Woche Sondierungen dahingehend, ob eine spezielle Kurzarbeitszeitregelung für den Bau getroffen werden könnte, um den massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit zwar nicht zu verhindern, aber zumindest zu dämpfen. Der Vorteil aus Sicht der Arbeitnehmer liegt auf der Hand. Anstatt mit einem deutlich niedrigeren Arbeitslosengeld leben zu müssen, würde das Kurzarbeitsgeld höher ausfallen. Auch das Risiko, dass eine Wiedereinstellung im Frühjahr nicht klappen könnte, wäre weg.

Arbeitslosigkeit bringt Risiko

Josef Muchitsch, Vorsitzender der Bau-und Holzgewerkschaft, sagt, dass auch die Arbeitgeber profitieren könnten. Die Mitarbeiter über den Winter zum AMS zu schicken erhöhe nämlich das Risiko, dass die Unternehmen ihre Fachkräfte nicht zurückbekommen und an andere Firmen verlieren. Muchitschs Ziel wäre es, ein Modell zu erarbeiten, bei dem die Arbeitszeit in den Wintermonaten auf mehrere Personen aufgeteilt werden kann. Eine volle Arbeitsstelle würden sich zum Beispiel drei Kollegen teilen.

Die Abwicklung der Kurzarbeit könnte zumindest großteils die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) übernehmen. Über die BUAK verwalten die Sozialpartner bereits Abfertigungsansprüche im Bausektor, über sie läuft auch die Versicherung der Branche für Schlechtwetter-Ausfälle.

Spannend wird vor allem sein, ob sich die Arbeitgeber auf eine Regelung einlassen. Die klassische Kurzarbeit gilt auch für den Bausektor und ist in einigen Teilen der Branche im Frühjahr gern genutzt worden. Im Baugewerbe waren zum Beispiel im April im Schnitt 20 Prozent der Mitarbeiter in Kurzarbeit. Die Kurzarbeitsregelungen werden österreichweit verlängert, die Sozialpartner haben sich auf eine Phase III bereits verständigt. Wozu also eine Sonderregelung?

Ohne Anreize nutzt Kurzarbeit wenig

Weil erwartet wird, dass ohne Extraanreize der Bausektor die klassische Kurzarbeit im Winter kaum nutzen wird. In der Branche ist es zunächst einmal einfach üblich, dass ein Teil der Mitarbeiter in der kalten Jahreszeit gekündigt wird. In der Bauwirtschaft gelten zudem extrem kurze, zum Teil sogar gar keine Kündigungsfristen: Bei Mitarbeitern, die noch nicht länger als fünf Jahre dem Betrieb angehören, kann am Freitag ohne Frist jederzeit gekündigt werden. Die Firmen können sich also spontan auf Schlechtwetter einstellen und eine Kältephase übertauchen, indem sie Mitarbeiter beim AMS parken. In der Industrie dagegen sind Kündigungsfristen länger, die Kurzarbeit hilft hier traditionell eher, Auftragsschwankungen auszugleichen.

Die Arbeitgeber halten sich bedeckt. Fachkräfte auch über den Winter hinaus halten zu können wäre interessant, sagt ein Branchenvertreter. Die andere Wahrheit sei aber, dass nur ein Teil der Mitarbeiter Fachkräfte seien. Wenn die Lösung zu weniger Flexibilität bei Betrieben führe, wäre das nicht interessant. (András Szigetvari, 9.9.2020)