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US-Präsident Donald Trump setzt in der heißen Phase des Wahlkampfs auf Umweltthemen.

Foto: Reuters / Jonathan Ernst

Washington – Mit Beginn der heißen Phase des Wahlkampfs gibt Donald Trump plötzlich den Umweltbewegten. Auf einer Kundgebung in Jupiter, Florida, hat der Präsident, der aus dem Pariser Klimaabkommen ausstieg und den Klimawandel von der Liste der Bedrohungen der nationalen Sicherheit der Vereinigten Staaten strich, tatsächlich – wortwörtlich – gesagt: "Ich bin ein großartiger Umweltschützer". Um den scheinbaren Sinneswandel zu untermauern, kündigte er ein Moratorium für Ölbohrungen vor den Küsten Floridas, Georgias und South Carolinas an. Zehn Jahre lang soll es gelten. Es bedeutet, wenn man die Vorgeschichte bedenkt, eine Wende um 180 Grad.

Noch im Januar 2018 hatte Trumps Regierung die Absicht bekundet, bis auf wenige Ausnahmen den gesamten Küstenschelf des Landes für die Öl- und Gasförderung zu öffnen, arktische Gewässer neben atlantischen und pazifischen eingeschlossen. Was das Kabinett Barack Obamas der Industrie an Stoppschildern in den Weg gestellt hatte, wurde nach dem Motto kassiert, dass nichts, aber auch gar nichts den Aufstieg Amerikas zur energetischen Weltmacht Nummer eins behindern dürfe. Im östlichen Teil des Golfs von Mexiko, vor der Westküste Floridas, wäre ein Bohrmoratorium im Juni 2022 ausgelaufen. Dass Trump es nun bis 2032 verlängert und obendrein auf die Atlantikküste des "Sunshine State" ausdehnt, ist kühles Wahlkampfkalkül.

Kopf-an-Kopf-Rennen

Florida, wo es zwischen Demokraten und Republikanern fast immer auf Messers Schneide steht, stellt allein 29 der Wahlmänner, die den Präsidenten bestimmen. Ein Schwergewicht, auf das sich, wie auch auf die Rust-Belt-Staaten des Mittleren Westens, die Wahlkämpfer voll und ganz konzentrieren. Und weil eine Mehrheit der Bewohner Floridas Bohrtürme in Sichtweite der Strände ablehnt, versucht Trump der Stimmung Rechnung zu tragen. Mit einer Volte.

Neueste Umfragen in dem hart umkämpften Staat scheinen übrigens zu bestätigen, was nüchterne Beobachter seit Wochen vorhersagen. Je näher der Wahltermin rückt, umso deutlicher wird, dass man sich wohl auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen einstellen muss, namentlich in den "battleground states". Nach einer Erhebung des Senders NBC und des Marist-Instituts liegen Joe Biden und Donald Trump in Florida gleichauf, mit jeweils 48 Prozent der Stimmen. Noch im Juli hatte der Herausforderer dort, je nach Umfrage, drei bis sechs Prozentpunkte Vorsprung vor dem Amtsinhaber.

Rätselraten um John Kelly

In der Hauptstadt wiederum wartet man mit Spannung darauf, ob sich nun auch pensionierte Generäle zu Wort melden, nachdem die Zeitschrift "The Atlantic" die Geringschätzung des Präsidenten für gefallene Soldaten dokumentiert hatte. Jeffrey Goldberg, der Chefredakteur des Magazins, ein Journalist von untadeligem Ruf, berief sich auf namentlich nicht genannte Regierungsmitarbeiter, als er davon schrieb, dass Trump im November 2018 den Besuch eines amerikanischen Soldatenfriedhofs in der Nähe von Paris ablehnte, weil er in seinen Worten "voller Verlierer" ist.

Der Ex-General John Kelly, seinerzeit Stabschef im Weißen Haus, gilt als einer der Eingeweihten, die Goldberg informiert haben könnten. Er war damals mit in Frankreich. Ob er Farbe bekennt, ob er die Geschichte bestätigt oder andere aus der Deckung kommen: Es ist eine der Fragen, die das politische Washington gerade mit Vorrang beschäftigt.

Polizeichef von Rochester tritt zurück

Die Debatte um Polizeigewalt ebbt in den USA nicht ab. In Utah ist ein 13-jähriger autistischer Bub von Polizisten angeschossen worden. Der Fall erinnert an den Tod des Afroamerikaners Daniel Prude nach einem Polizeieinsatz in Rochester im US-Staat New York. Auch Prude litt an psychischen Problemen. In Rochester trat nun der Polizeichef der Stadt zurück. La'Ron Singletary wies am Dienstag zugleich aber Vorwürfe zurück, er habe Fehlverhalten seiner Beamten vertuschen wollen. "Ich bin ein integrer Mann", betonte der afroamerikanische Polizeichef in seiner Rücktrittserklärung. Er bezeichnete sich als Opfer einer "Politisierung" des Vorfalls.

Der Fall Daniel Prude hatte Anti-Rassismus-Demonstrationen in Rochester und auch in der Stadt New York ausgelöst. Der Polizeieinsatz mit dem Todesfall hatte sich bereits am 23. März ereignet, war aber erst Anfang September durch das Video von der Körperkamera eines Polizisten bekannt geworden. Die Proteste und die Gewalt sind inzwischen zu einem der zentralen Thema im US-Präsidentschaftswahlkampf geworden. Trump versucht, sich als "Law & Order"-Präsident zu inszenieren. Die Demokraten werfen ihm vor, die Gewalt weiter anzufachen. (Frank Herrmann, 9.9.2020)