Der Citizen-Science-Blog stärkt die Kommunikation zwischen Öffentlichkeit und Wissenschaft.

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Der Beitrag interessierter Laien bei wissenschaftlichen Projekten wird immer wichtiger – die Plattform "Österreich forscht" fördert diese Entwicklung, indem sie das Zusammenspiel zwischen klassischer Wissenschaft und der sogenannten Citizen-Science koordiniert und noch weiter vorantreibt. Mit dem kürzlich online gegangenen Citizen-Science-Blog ist die Kommunikation zwischen Öffentlichkeit und Wissenschaft noch um eine Facette reicher geworden.

Gegründet wurde die Plattform "Österreich forscht" 2014 von Florian Heigl und Daniel Dörler, damals Dissertanten an der Wiener Universität für Bodenkultur. Heigl arbeitete über sogenannten Roadkill, also im Straßenverkehr getötete Tiere, Dörler über invasive Nacktschnecken. Beide brauchten dazu so viele Funde bzw. Beobachtungen wie möglich aus einem großen geografischen Gebiet, und das geht nicht allein oder mit ein oder zwei Helfern. Also baten sie die Öffentlichkeit um Mithilfe in Form von Apps, die wie Fragebögen gestaltet waren. Dabei stellten sich Fehleinschätzungen heraus: "Unsere ersten Datenerhebungen waren zu detailliert und enthielten viele Freitext-Passagen", erinnert sich Heigl, "die wollte kaum jemand ausfüllen."

Wie die Plattform entstand

In der Folge wandten sich die Jungwissenschafter an Kolleginnen und Kollegen, die ebenfalls Projekte mit Bürgerbeteiligung betrieben, und überlegten mit diesen gemeinsam, wie man am besten mit interessierten Laien – oder Citizen-Scientists – zusammenarbeiten kann. Daraus entstand schließlich die Plattform "Österreich forscht", an der mittlerweile fast 50 Citizen-Science-Projekte aus Österreich zu den unterschiedlichsten Themen teilnehmen. 2019 wurde sie fix in die Universität für Bodenkultur eingegliedert. Heigl und Dörler, die seit dem Vorjahr dort eine feste Anstellung haben, betreuen die Plattform weiter und bemühen sich ständig, ihr Angebot zu erweitern. Die neueste Entwicklung dabei ist der kürzlich online publizierte Blog.

Darin werden alle teilnehmenden Projekte präsentiert, ebenso wie Interviews mit deren Leiterinnen und Leitern, anstehende Veranstaltungen und Veröffentlichungen. Über die Kommentare zu den Blogbeiträgen können Interessierte sowohl mit Wissenschaftern als auch mit anderen Laien diskutieren. Es ist auch möglich, E-Mails direkt an Forschende zu schicken. Außerdem werden wissenschaftliche Fachartikel für die Allgemeinheit verständlich präsentiert. "Wichtig ist eine Kommunikation auf Augenhöhe", betont Heigl, "Nichtwissenschafter haben oft eine andere Sicht der Dinge oder sie identifizieren bisher unerkannte Probleme in ihrer Umgebung. Das führt manchmal sogar dazu, dass eine Projektidee gemeinsam mit Citizen-Scientists entwickelt wird." Dementsprechend steht der Blog allen Menschen offen – egal, ob sie sich nur über bestimmte Themen informieren oder selbst bei Projekten mitarbeiten wollen.

Seit 2015 jährliche Tagung

2015 fand die erste Konferenz zu Citizen-Science statt – damals allerdings nur für Wissenschafter. Zwei Jahre später gab es zum ersten Mal einen eigenen Tag für interessierte Laien, und seitdem wurde deren Teilhabe immer weiter ausgebaut. Heuer findet die unter anderem vom Wissenschaftsministerium und der Boku unterstützte Konferenz von 14. bis 16. September statt – Corona-bedingt online und "noch offener als vorher", wie Dörler betont: Die Veranstaltung ist für alle Interessierten offen und kostenlos, die Vorträge werden live gestreamt, und auch die Teilnahme an diversen Workshops ist – mit Registrierung – für alle möglich. "Die Citizen-Scientists sollen schließlich auch etwas von ihrer Arbeit haben", erklärt Dörler. In diesem Sinne müssen auch alle Ergebnisse von "Österreich forscht"-Projekten kostenfrei zugänglich sein.

Was die Themen der Citizen-Science-Projekte betrifft, liegt der Schwerpunkt nach wie vor auf dem Artenschutz, aber nicht mehr ausschließlich: So erforschen etwa Tiroler Jugendliche bei "Gesichter der Migration" die Migrationsgeschichten ihrer Familien oder befasst sich "Deutsch in Österreich" mit der Verwendung der eigenen Sprache und verschiedenen Sprechweisen vom Dialekt bis zur Hochsprache. Ganz anders ist hingegen die Aufforderung "Reden Sie mit!" der Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft zu verstehen: Da geht es darum, mithilfe von Nichtmedizinern Forschungsfragen zu Unfallverletzungen zu finden. Großer Beliebtheit erfreut sich auch das Projekt Fossilfinder, das die Kreidezeit in Österreich näher beleuchten will.

Nach wie vor aktiv ist übrigens Florian Heigls Roadkill-Projekt, bei dem erhoben wird, welche Tiere auf Österreichs Straßen zu Tode kommen und warum. "Wöchentlich gibt es mehr als hundert Einträge", freut sich Heigl. Die dabei gefundenen Hotspots können auch dazu beitragen, Gefahrenzonen zu entschärfen. Im August werden übrigens besonders viele Igel überfahren: Innerhalb von 14 Tagen waren es 44 Individuen. Die genauen Gründe dafür kann man im Blog nachlesen – und auch mit Heigl diskutieren. "Keine Scheu vor den Wissenschafterinnen und Wissenschaftern", grinst er, "die sind alle wohlwollend." Daniel Dörler stößt ins selbe Horn: "Es gibt keine ‚blöden‘ Fragen – die liefern oft guten Input." (Susane Strnadl, 9. 9. 2020)