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Alexej Nawalny, hier bei einem Protest im Februar, ist mittlerweile aus dem künstlichen Koma erwacht und ansprechbar.

Foto: Reuters / Shamil Zhumatov

Moskau – Die deutsche Regierung will Russland zunächst nicht die genauen Befunde eines Bundeswehr-Speziallabors über die Vergiftung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny zur Verfügung stellen. Die Laborergebnisse seien der internationalen Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) übermittelt worden, der auch Russland angehöre, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Mittwoch in Berlin.

Vizeregierungssprecherin Martina Fietz sagte, die Bundesregierung werde "das weitere Vorgehen" und "alle weiteren Fragen" über die OPCW zu klären versuchen. "Russland hat die Informationen, die jetzt gebraucht werden, und nicht Deutschland", sagte Fietz.

Russland macht Deutschland Vorwürfe

Russland geht in der Causa von einer "Desinformationskampagne" aus, die als Vorwand für neue Sanktionen genutzt werden solle. "Die Initiatoren sorgen sich nicht um die Gesundheit Nawalnys (...), sondern wollen Sanktionen verhängen", erklärte das russische Außenministerium am Mittwoch.

Das Ministerium warf Deutschland dabei erneut vor, die Ergebnisse der Untersuchung Nawalnys absichtlich zurückzuhalten. "Die deutsche Seite verlangsamt den Prozess leider", heißt es, sodass "die Hysterie um diese Affäre weiter zunimmt". Moskau bestehe "weiterhin darauf, dass die deutsche Seite uns die Informationen über die medizinische Untersuchung von Herrn Nawalny, einschließlich der Ergebnisse seiner biochemischen Analysen, zur Verfügung stellt".

"Zweifelsfreie" Vergiftung

Nach Angaben der Bundesregierung ist "zweifelsfrei" erwiesen, dass der 44-jährige Gegner von Staatschef Wladimir Putin mit einem chemischen Nervenkampfstoff aus der sogenannten Nowitschok-Gruppe vergiftet wurde.

Am Dienstagabend hatten die G7-Staaten angesichts der "bestätigten Vergiftung" schnellstmögliche Aufklärung von Russland verlangt. Dieses müsse dringend die Täter der Justiz übergeben, verlangten die Außenminister der G7-Staaten. Russland müsse "volle Transparenz schaffen, wer verantwortlich ist". Jede Nutzung chemischer Waffen sei inakzeptabel.

Paris verschob Ministersitzung

Gleichzeitig gibt es eine Diskussion über einen Baustopp für das Pipelineprojekt Nord Stream 2. Vor dem Hintergrund der Affäre verschob Frankreich eine Ministersitzung mit Russland. Der französisch-russische Kooperationsrat zu Sicherheitsfragen solle zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden, teilte die Sprecherin des französischen Außenministeriums am Dienstagabend mit. In der knappen Erklärung wurde auf nicht näher bezeichnete "aktuelle Umstände" verwiesen. Laut Medienberichten war die Sitzung für kommenden Montag geplant.

Nawalny wieder ansprechbar

Die russische Generalstaatsanwaltschaft hat in dem Fall ein Rechtshilfegesuch in Deutschland gestellt. Außenminister Heiko Maas hatte in der ARD angekündigt, dass man dem zustimmen werde.

Nawalny wird seit 22. August in der Berliner Charité behandelt, nachdem er zwei Tage zuvor während eines Fluges in Russland zusammengebrochen war. Inzwischen konnte er von den Ärzten aus dem künstlichen Koma geholt werden und ist ansprechbar. (APA, 9.9.2020)