Niemand will Susanne Raab diskriminierende Gedanken unterstellen. Oder ausländerfeindliche. Oder religionsfeindliche. Solches wäre für eine Ministerin, die für Integration von Zuwanderern aller Art zuständig ist, peinlich.

Vielleicht war Raab nur "patschert", als sie sich bei der Präsentation des Integrationsberichts als Kulturinterpretin auf das weite Feld der Migration von Wien und Paris bis New York vorwagte. Migration hat viele Facetten. Das reicht von Flüchtlingen, die um ihr Leben fürchteten, über Auswanderer, die ein besseres Leben suchen, bis hin zu Kriminellen.

Integrationsministerin Susanne Raab.
Foto: APA/ROBERT JAEGER

Wer kein Menschenfeind ist, sollte sich dem also differenziert nähern. Die Ministerin konzentrierte sich aufs Warnen: vor sozialen Brennpunkten in Wien, vor Parallelgesellschaften. Sie sprach von Menschen, die nur in türkische Supermärkte gingen, schwenkte zur Gewalt in den Banlieues von Paris, um dann zu fordern: "Wir wollen nicht Chinatown, nicht Little Italy, sondern eine gesamtgesellschaftliche Integration."

Das ist eine gar seltsame Assoziationskette, platt und populistisch, politisch unsinnig, historisch daneben. In Little Italy in New York City siedelten sich einst viele der Millionen Zuwanderer aus Italien an. Es gab Ganoven, die Mafia. Aber der Großteil waren fleißige, tüchtige Zuwanderer. Sie haben diese weltoffene Stadt groß gemacht, neben all den Iren, Juden oder Burgenländern, die aus einem zerstörten Europa kamen. Heute gibt es das "Kleine Italien" der Italiener in NYC längst nicht mehr. Es ist ein schickes, kosmopolitisches Viertel geworden. Ministerin Raab sollte mal hinfahren. Sie könnte was lernen. (Thomas Mayer, 9.9.2020)