Wenn Menschen, die ohnehin unter Plastikplanen leben und sich stundenlang um Essen oder Medikamente anstellen müssen, auch noch das Zelt abbrennt und sie vor den Flammen flüchten und um ihr Leben fürchten müssen, dann sollte es selbstverständlich sein, diesen Notleidenden Hilfe und Schutz zu gewähren.

Nun geht es aber zunächst gar nicht darum, Flüchtlinge aus dem Lager Moria in einen anderen EU-Staat zu bringen, denn die Asylwerber dürfen gar nicht von der Insel herunter, bevor nicht geklärt ist, ob sie sich mit dem Covid-19-Virus infiziert haben. Dies stellte auch der griechische Premierminister Kyriakos Mitsotakis klar, nachdem das berüchtigte Lager auf der Insel Lesbos in der Nacht auf Mittwoch praktisch niedergebrannt war.

Mitsotakis bedauerte die Ereignisse in Moria, betonte aber gleichzeitig, dass die Unruhen niemals so ein Ausmaß hätten annehmen dürfen und dass es keine Entschuldigung für gewaltsame Reaktionen geben dürfe, wenn es um Gesundheitsmaßnahmen gehe. Tatsächlich waren gewaltsame Auseinandersetzungen ausgebrochen, weil sich einige Aslywerber geweigert hatten, in Quarantänestationen zu gehen.

Brände haben das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos zerstört.
Foto: imago/Panagiotis Balaskas

Flüchtlingsexperten machen immer wieder darauf aufmerksam, dass in Pandemiezeiten die Kommunikation im Lager entscheidend ist. Denn Panik bricht vor allem aus, wenn die Leute zu wenig Informationen bekommen oder sich auf Gerüchte verlassen. Stress und Unruhe sind aber auch schon ohne Covid-19 unter jeder Plastikplane im Camp Moria zu finden. Unter solchen Umständen ist es nicht erstaunlich, dass sich kleine Irritationen multiplizieren.

Pandemiemanagement

Dabei haben die griechischen Behörden bisher einen guten Job beim Pandemiemanagement gemacht und bis vor kurzem das Virus von dem Riesenlager auf Lesbos durch durchdachte Maßnahmen fernhalten können. Ein Flüchtling, der in Athen einen Job gesucht hatte, kam allerdings kürzlich mit Covid-19 zurück auf die Insel. Deshalb wurde ein Lockdown notwendig, vor dem die Menschen Angst hatten.

Hinzu kam der Zufall, dass ausgerechnet in diesen Tagen extrem starke Winde für viele Feuer in Griechenland sorgen. Normalerweise können Brände im Camp schnell gelöscht werden. Doch diesmal raste das Feuer geradezu durch das Lager. Feuer ist zurzeit an vielen Orten in Griechenland für die Menschen lebensgefährlich. Wälder und Büsche brennen, und Evakuierungen sind an mehreren Orten notwendig.

Im Lager Moria kommen ganz andere Gefahren hinzu, besonders im Winter: die Kälte und der Regen, die Schutzlosigkeit vor Gewalt, die fehlenden Waschmöglichkeiten und der Mangel an ärztlicher Versorgung. Das Lager Moria ist seit Jahren als ein Ort bekannt, an dem man sich nie sicher fühlen kann. Das hat nichts mit dem Brand zu tun. Dieser ist nur ein Anlass, auf etwas Grundsätzliches hinzuweisen.

Die EU-Kommission ist zu Hilfe bereit. Und auch die Mitgliedsstaaten können helfen, Österreich hat erst vor ein paar Monaten Container nach Griechenland geschickt. Doch dass gerade das im europäischen Vergleich privilegierte, reiche Österreich keine Flüchtlinge von den griechischen Inseln aufnehmen will, offenbart eine schäbige, kleinkarierte und geizige Denkweise, die angesichts der Relationen nicht nur peinlich, sondern auch unlogisch erscheint. (Adelheid Wölfl, 9.9.2020)