In der Skulptur des Vaters: Elektra (Ricarda Merbeth).

Foto: Pöhn

Die Rückkehr von Franz Welser-Möst an die Wiener Staatsoper, wo er als Musikchef zurücktrat, erfolgt mit einem Werk, das ihm noch in frischer Erinnerung ist. Welser-Möst hat bei den Salzburger Festspielen mit Elektra seine überragende Kompetenz in Sachen Richard Strauss unter Beweis gestellt.

Dass er an diesem zweiten Abend der Direktion Bogdan Roščić die Inszenierung von Harry Kupfer vor sich hat, jener mit der riesigen Agamemnon-Statue, der der Kopf abgetrennt wurde (Bühne: Hans Schavernoch), entbehrt dabei nicht einer gewissen Zusatzironie. Es hätte ja auch eine frischere Inszenierung aus der "Ära" Dominique Meyer gegeben – jene düstere von Uwe Eric Laufenberg. Mit ihr muss sich Welser-Möst, der die Kohabitation mit Direktor Meyer nicht mehr ertrug, aber nicht befassen.

Zerlumpte Gesellschaft

Er blickt vom Orchestergraben aus auf Kupfers saubere Arbeit aus dem Jahr 1989. Sie mixt Monumentales mit einem offenen Raum, der die Aufmerksamkeit auch auf die Figuren lenkt. Man sieht: Es ist eine etwas zerlumpte Gesellschaft, ihre inneren Verwüstungen spiegeln sich auch äußerlich.

Nur bei Klytämnestra (Doris Soffel) ist äußerer Glitzerglanz zu sehen. Elektras Mutter jedoch wirkt vom Schmuck mehr beschwert, als dass er sie strahlen lässt. Da hinterlassen die Folgen begangener Taten und deren Wiederkehr in Albträumen schon gewaltige Spuren in der Haltung. Elektras Verhöhnungen besorgen den Rest. Die Regie, die Kupfer für die Wiederaufnahme hätte aufpolieren sollen und die nach seinem Tod nun seine einstige Mitarbeiterin Angela Brandt erneuerte, funktioniert passabel. Sie ist mittlerweile kein Wunderwerk an Personalführung (Jörg Schneider als vokal tadelloser Aegisth ...) mehr.

Elegante Härte

Getragen von der orchestralen Energie schaffen Ricarda Merbeth (als Elektra) und vor allem Camilla Nylund (als Chrysothemis) dennoch eine dichte Atmosphäre des Seelenkriegs. Die Hauptrolle kommt allerdings dem Orchester zu. Welser-Möst, bereits zu Beginn mit Bravos beschenkt, sorgt für eine vielschichtige Klangdramaturgie, der es nicht an zarten Episoden fehlt.

Imposant jedoch, wie er es schafft, dynamisch aufs Ganze zu gehen und dabei doch nie strukturelle Unklarheit zu bewirken. Es ist quasi elegantest gestaltete Brutalität, vor der man steht. Eher Weltklasse. Klar, dass hernach wiederum der Rückkehrer am dezibelfreudigsten bejubelt wurde. Je öfter er an die Staatsoper kommt, desto besser. Es gäbe genug nachzuholen. (Ljubiša Tošic, 10.9.2020)