Der Beginn einer wunderbaren, wenn auch nicht allzu nachhaltigen Freundschaft.

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Washington – Wieder einmal Bob Woodward: Der wohl bekannteste Journalist der USA ist eine Legende, seit er 1974 den Watergate-Skandal aufdeckte, der zum Rücktritt von Präsident Richard Nixon führte. Woodward ist aber auch ein Journalist alter Schule, der Fragen stellt und Antworten erwartet – bei Donald Trump, über dessen Zeit im Weißen Haus er mit "Rage", also "Wut", jetzt schon sein zweites Buch veröffentlicht, beißt er dabei allzu oft auf Granit. Trump, so das Fazit, antwortet schlicht nicht auf Fragen, die ihm nicht ins Konzept passen.

CNN hat Ausschnitte aus den Interviews veröffentlicht, die Woodward mit dem Präsidenten geführt hat.

Das eine oder andere Mal, etwa beim Thema Corona, entwischen Trump während der insgesamt 18 Interviews aber doch aufschlussreiche Aussagen. Etwa jene, wonach er zwar über die Gefährlichkeit des Virus Bescheid wusste, diese aber in der Öffentlichkeit bewusst heruntergespielt habe. Er habe damals "Panik" im Land vermeiden wollen. Doch auch abseits der Causa Prima dieser Tage bietet "Rage" außergewöhnlich tiefe Einsichten in das Seelenleben des mächtigsten Mannes der Welt.

Die Sorgen der Schwarzen lassen Trump weitgehend kalt.
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Kein Mitgefühl

So auch beim Thema Black Lives Matter. Als Woodward ihn fragte, ob er sich denn in das Leid der schwarzen Bevölkerung der USA einfühlen könne und ob er sich als Weißer privilegiert fühle, antwortete Trump so knapp wie wenig überraschend: "Nein". Er wolle sich nicht bei der afroamerikanischen Minderheit anbiedern, so der Präsident, schließlich habe seine Regierung den Schwarzen wirtschaftliche Möglichkeiten eröffnet, die diese vorher nicht gehabt hätten – bis Covid-19 allen Chancen den Garaus machte.

Prahlerei

Donald Trump wäre nicht Donald Trump, griffe er nicht auch gegenüber Bob Woodward zum Stilmittel der Prahlerei: "Ich habe ein Atomwaffensystem gebaut, wie es noch niemand in diesem Land je gehabt hat. Wir haben Dinge, von denen Sie noch nie etwas gehört haben", sagte er zu dem Journalisten. Und: "Wir haben Dinge, von denen (Russlands Präsident Wladimir, Anm.) Putin und (Chinas Präsident, Anm.) Xi noch nie etwas gehört haben." Was die USA hätten, sei unglaublich, so Trump. Als Woodward namentlich nicht genannte Militärkreise danach fragte, bestätigten diese zwar den Bau neuer Waffensysteme – waren aber erstaunt, dass der Präsident öffentlich davon erzählt.

"Fantasy-Film"

Neben der Enthüllung, dass Trump seine eigenen Generäle für zu schwach hält, weil diese sich mehr für "ihre Allianzen" interessierten denn für Handelsdeals, gewährt der US-Präsident in "Rage" auch Einblicke in seine On-off-Beziehung zu Nordkoreas Diktator Kim Jong-un. Woodward erfuhr, wie es um die Briefe bestellt war, die die beiden Staatschefs 2018 hin und her schickten. 25 davon wurden ihm zugespielt. Kim habe das Verhältnis zu Trump als "Fantasy-Film" bezeichnet, der US-Präsident verglich ihr Kennenlernen mit einem Flirt: "Du triffst eine Frau und weißt innerhalb einer Sekunde, ob es passiert oder nicht."

Gegenüber Südkorea, einem traditionellen US-Verbündeten, waren Trumps Gefühle hingegen alles andere als romantisch, glaubt man Woodward: "Wir verteidigen euch, wir erlauben euch zu existieren." Gegenüber einem Berater habe Trump die US-Militärs als "Horde von Pussys" bezeichnet, schreibt Woodward.

Kritik an Woodward

Der preisgekrönte Reporter geriet nun aber selbst in die Kritik, weil er erst jetzt, im Herbst, von der offensichtlichen Lüge Trumps über die Gefährlichkeit des Coronavirus berichtet – und nicht schon im Februar, als ihn der Präsident über seinen eigentlichen Wissensstand unterrichtet hatte. Woodward argumentiert, ihm sei erst im Mai klar gewesen, dass Trump bezüglich Covid-19 tatsächlich auf dem letzten Stand der Information war. Am Ende, so Woodward, habe er alles darangesetzt, das Buch auf jeden Fall vor der Wahl im November zu veröffentlichen.

Dass Trump überhaupt mit Woodward geredet hat, schlägt nun im Weißen Haus – wenig überraschend – hohe Wellen. Der in Ungnade gefallene frühere Anwalt des Präsidenten, Michael Cohen, erklärte am Mittwoch auf CNN, dass es der Person, die das Interview eingefädelt hat, wohl schon bald "nicht so gut gehen" werde. Cohen verwies dabei auf Gerüchte, wonach Trumps Schwiegersohn Jared Kushner hinter der Einladung Woodwards ins Weiße Haus stecke. (flon, 10.9.2020)