Außenminister Alexander Schallenberg ist kein unsympathischer Mensch. Im Gegenteil, anders als mancher türkise Regierungskollege äußert sich der parteilose Politiker stets inhaltsbezogen und sachlich, wirkt ruhig und entgegenkommend.

Genau diese Ruhe und Sachlichkeit jedoch verlieh seinem Auftritt bei Armin Wolf in der "ZiB 2" am Mittwoch, nachdem das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos in Flammen aufgegangen war, eine Aura des Gespenstischen und Unsagbaren. Denn das, was der Minister in diesem Interview in gewählten Worten von sich gab, lief auf nichts anderes als die Bankrotterklärung jedes humanitären Hilfsgedankens hinaus.

Beamtenmentalität und Flüchtlingsabschreckung

Es gelte, den Impuls zu unterdrücken, den 13.000 nun obdachlosen Menschen zu helfen, indem man sie aus Moria herausholt, lehnte Schallenberg Pläne, Kinder und Jugendliche von der Insel in andere EU-Staaten auszufliegen, rundweg ab. In diesem Fall nämlich würden weitere Menschen auf die Insel nachkommen – und überhaupt müsse man den Beschluss eines neuen Pakts zur EU-Migrations- und -Asylpolitik abwarten.

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Diesen Panzer aus Beamtenmentalität und Flüchtlingsabschreckung versuchte der Interviewer Wolf mehrmals aufzubrechen. Ob seine Positionen nicht zynisch seien, weil sie darauf hinausliefen, das Flüchtlingselend auf den Inseln wohl auf Jahre hin aufrechtzuerhalten, fragte er Schallenberg wiederholt. Dieser wich auf Schlagworte aus, sprach von "Endschlosschleifen" und "Sisyphusarbeit", die verhindert werden müssten. Das Furchtbare daran: Damit referierte er den Stand der Dinge der Flüchtlingspolitik in der EU. (Irene Brickner, 10.9.2020)