Offiziell hat es in Österreich im Vorjahr 30 antisemitische Vorfälle gegeben, die von Rechtsextremisten ausgingen.

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Wien – Die Bundesregierung will die Ausgaben für die Sicherheit der jüdischen Gemeinde in Österreich auf rund vier Millionen Euro mehr als verdreifachen. Statt wie bisher per Fördervertrag soll das künftig per Gesetz festgelegt werden. Eine entsprechende Regierungsvorlage soll schon bald den Ministerrat passieren und dem Parlament zugeleitet werden, hieß es von beiden Seiten am Donnerstag.

Bekanntgegeben hat man das nach einem Treffen der Regierungsspitze mit einer Delegation der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) vergangenen Freitag. Im Zentrum des Gesprächs seien die jüngsten antisemitischen Vorfälle in Graz gestanden, hieß es in einer Pressemitteilung. Es sei ein zentrales Anliegen der Bundesregierung, jüdisches Leben in Österreich und das kulturelle Leben der jüdischen Gemeinde generell nachhaltig abzusichern. Der bisherige Fördervertrag musste regelmäßig verlängert werden.

Datenlücken bei antisemitischen Vorfällen

Große Datenlücken behindern nach Ansicht der in Wien ansässigen Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) den Kampf gegen Antisemitismus. Länder wie Ungarn und Portugal hätten für das vergangene Jahr überhaupt keine offiziellen Daten über Attacken jeglicher Art auf Juden erhoben, kritisierte die Agentur am Donnerstag anlässlich ihres Antisemitismusberichts.

Die neue Studie umfasst den Zeitraum zwischen 2009 und 2019. In Österreich wurden demnach im Vorjahr laut offiziellen Angaben 30 antisemitische, "von Rechtsextremisten verursachte Vorfälle" gemeldet. 2018 waren es noch 49 gewesen, 58 im Jahr 2014 und zwölf im Jahr 2009. Als Quellen nennt die FRA das Innenministerium und das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung.

550 inoffizielle Vorfälle

Allgemein sei – ungeachtet der niedrigeren offiziellen Zahlen im Vorjahr – ein Anstieg antisemitischer Vorfälle zu registrieren, wobei es sich in der Regel um Beschimpfungen und Sachbeschädigungen handle und nicht gegen einzelne Personen oder Organisationen gerichtet sei, hieß es. Laut "inoffiziellen Daten" des Forums gegen Antisemitismus (FGA) und der Israelitischen Kultusgemeinde gab es im Vorjahr 550 antisemitische Vorfälle und damit die meisten im untersuchten Zeitraum. Die wenigsten – 70 – wurden 2010 registriert.

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Hasspostings

In der Corona-Krise hätten Hasspostings im Internet, die Juden für die Pandemie verantwortlich machten, erneut das Ausmaß des Antisemitismus gezeigt, teilte die FRA am Donnerstag mit. Wie sehr die Einstellung gegenüber Juden sich in Europa unterscheide, zeigten auch die Antworten auf die Frage "Wie wohl würden Sie sich mit einem jüdischen Nachbarn fühlen?".

Die Bürger in Ländern wie Dänemark, Schweden oder den Niederlanden hätten damit am wenigsten Probleme und führten damit die Tabelle an. Ganz anders sehe es in Staaten wie der Slowakei, Polen, Ungarn und Litauen aus. Deutschland belege den elften Platz unter den 27 EU-Staaten. Befragt wurden fast 35.000 Bürger in den 27 EU-Staaten sowie in Nordmazedonien und Großbritannien.

Europäische Antisemitismusbeauftragte beraten in Berlin

Antisemitismusbeauftragte aus ganz Europa sowie weitere Experten sind am Donnerstag zu Beratungen im deutschen Innenministerium in Berlin zusammengekommen. Sie wollten nach Angaben des Ministeriums unter anderem antisemitisch geprägte Verschwörungsmythen zum neuartigen Coronavirus diskutieren.

Außerdem sollte es um Konzepte zur Bekämpfung von Antisemitismus und "methodische Fragen" wie die "Erfassung antisemitischer Vorfälle zur Entwicklung von Präventionsansätzen" gehen.

Die Konferenz mit dem Titel "Gemeinsam gegen Antisemitismus in Europa – Strukturen und Strategien für eine ganzheitliche Bekämpfung" soll den Angaben zufolge auch dabei helfen, die unterschiedlichen Akteure auf EU-Ebene besser zu vernetzen. (APA, red, 10.9.2020)