Die Wiener Künstlerin Sascha Regina Reichstein wohnt mit vielen geometrischen Formen im vierten Bezirk. Die Ordnung, die sie im Wohnen und in der Kunst umgibt, hat etwas Meditatives und Performatives.

"Wie man sieht, habe ich eine gewisse Affinität zu Textilien. Meine Mutter hatte früher ein Geschäft für Keramik und Textilien, heute beschäftigt sie sich mit Patchwork-Arbeiten. Wahrscheinlich habe ich schon als Kind eine gewisse Sensibilisierung für Stoffe sowie ganz generell für schöne, hochwertige Materialien erfahren. Die meisten Textilien stammen aus Afrika, aus Marokko oder aus Westafrika – wobei dies nicht so sehr dem Kulturellen, dem Geografischen geschuldet ist als vielmehr der Tatsache, dass mich abstrakte, geometrische Formen sehr ansprechen.

Sascha Regina Reichstein hat ihr Zuhause ganz klassisch über eine Annonce gefunden.
Foto: Lisi Specht

Geometrie empfinde ich als Offenheit. Wo Abstraktion ist, habe ich genug Raum, mich zu entfalten. Die abstrakte Geometrie umgibt mich nicht nur im Wohnen, sondern auch in meiner Arbeit als Künstlerin. Die abstrakten, oftmals eckigen Formen kommen immer wieder vor in meiner Arbeit. Besonders inspiriert haben mich dabei Anni und Josef Albers. Sie Grafikerin und Textilkünstlerin mit einer Präferenz für Dreiecke, er Maler und Kunstpädagoge mit einer Vorliebe für Vierecke.

Trotz Offengeistigkeit bin ich bis zu einem gewissen Grad auch Perfektionistin. In meiner Kunst schlägt sich das insofern nieder, als einige Werke auf Millimeterpapier entstehen – das sind die Dialektiken des Lebens. Im Wohnen äußert sich dies in einer gewissen Reduktion der Dinge. Ich brauche Ordnung um mich, damit ich mich wohlfühle. Lieber reduziere ich mich in der Quantität und investiere stattdessen in Qualität. Mir reichen ein paar Kaffeetassen für mich und meine Gäste, aber die müssen dafür schön und hochwertig sein. So schön, dass ich mich jeden Tag aufs Neue daran erfreuen kann. Luxus ist für mich nicht, viel zu haben, sondern das Richtige zu haben.

Vieles in der Wohnung begleitet Sascha Regina Reichstein schon viele Jahre.

Auch beim Kochen brauche ich Ordnung. Wenn ich zu kochen anfange oder die Arbeit beendet habe, mag ich es, in einer aufgeräumten Küche zu stehen. Das hat etwas Meditatives, ja vielleicht sogar etwas Performatives! Man macht etwas, strukturiert die Arbeitsschritte und schafft auf diese Weise immer wieder eine frische, neutrale Grundfläche zum kreativen Arbeiten. Das ist für mich generell eine hilfreiche Handlungsanweisung, um mit begrenztem Raum gut umgehen zu können.

Andere Objekte hat sie sich bewusst gegönnt: "Ich mag es, mich mit Möbeln zu umgeben, die mich glücklich machen."
Foto: Lisi Specht

Die Wohnung hat 74 Quadratmeter, wirkt aufgrund des guten, geschickten Grundrisses und meines eben erwähnten Ordnungssinns aber deutlich größer und luftiger. Sie liegt im vierten Bezirk, direkt am Draschepark, und wenn ich auf dem Balkon stehe, sehe ich auf der einen Seite zum Gürtel und zur Bahn hinauf und auf der anderen Seite bis zu Kahlenberg und Leopoldsberg. Was für eine tolle Aussicht! Gefunden habe ich die Wohnung vor einigen Jahren ganz klassisch über eine Annonce. Ich war zur Besichtigung da, und da meinte der Makler: "Sie sind nicht die einzige Interessentin, aber ich glaube, Sie würden der Vermieterin gut gefallen!" Als ich nachgefragte habe, wer denn die Eigentümerin sei, stellte sich heraus, dass ich im Monat zuvor mit ihr in Marokko gewesen war! Wir hatten uns auf einer gemeinsamen Reise kennengelernt. Unglaublich, oder?

"Luxus ist für mich nicht, viel zu haben, sondern das Richtige zu haben", sagt Sascha Regina Reichstein.
Foto: Lisi Specht

Vieles hier in der Wohnung begleitet mich schon sehr lange oder ist Produkt von vielen Geschichten, andere Objekte wiederum habe ich mir gegönnt und sie mir bewusst angeschafft. Ich mag es, mich mit Möbeln zu umgeben, die mich glücklich machen, an denen ich mich nicht sattsehen kann. Dazu müssen Material und Form eine stimmige Einheit bilden.

Mein großer Traum für die Zukunft jedenfalls wäre eine Wohnung, die ich von A bis Z selbst planen und gestalten könnte. Bevor ich diese Wohnung gefunden habe, hatte ich mir auch einen Balkon gewünscht – und einen bekommen. Manchmal werden Träume ja wahr." (14.9.2020)