Kommt da ein Gewitter, oder setzt sich die Sonne durch? Kleinräumige Wetterereignisse lassen sich nur schwer vorhersagen, Wetter-Apps erwecken aber oft einen anderen Eindruck.

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Wetter-Symbole lassen Nutzern einen großen Interpretationsspielraum.

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Die Weltwirtschaft, das Stromnetz und Ihre Wochenendpläne haben etwas gemeinsam: Sie hängen in erheblichem Maße vom Wetter ab. Tatsächlich bleibt kaum ein Aspekt unseres Alltagslebens von den Phänomenen in der Erdatmosphäre unberührt. Kein Wunder also, dass der Versuch, aus Wetterbeobachtungen Vorhersagen abzuleiten, schon so alt ist wie die menschliche Zivilisation – und Wetterdienste heute zu den meistgenutzten Programmen auf Smartphones zählen.

Doch allen meteorologischen Fortschritten zum Trotz bleibt stets eine bemerkenswerte Unsicherheit. Wir sind im Jahr 2020 in der Lage, Roboter auf dem Mars fernzusteuern oder Lebewesen mit künstlichem Erbgut zu erschaffen, aber wir können nicht mit Sicherheit sagen, ob man kommenden Dienstag in Wien-Ottakring einen Regenschirm brauchen wird. Und nicht selten widersprechen die Prognosen unterschiedlicher Anbieter einander eklatant. Wie kann das sein?

Unüberblickbarer Zustand

Um die enormen Herausforderungen der Meteorologie zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die Modelle, die hinter den Vorhersagen stehen. Ein Wettermodell kann nur so gut sein wie die Messdaten, auf denen es basiert, sagt Konstantin Brandes, Meteorologe beim kommerziellen Wetterdienst Ubimet. Wer in die Zukunft atmosphärischer Entwicklungen blicken will, muss also ihren Ist-Zustand so detailliert wie möglich kennen.

Und das ist eine entscheidende Limitierung, erklärt Brandes: "Wir müssten eigentlich für jeden Punkt auf der Erde zu jedem Zeitpunkt wissen, wie die Temperatur ist, welche Windrichtung vorherrscht, wie die Luftfeuchtigkeit ist." Dabei reicht kein zweidimensionales Messnetz, das den Globus umspannt, sondern es braucht auch Daten aus der Höhe. "Das ist natürlich nicht bewältigbar, wir können ja nicht auf jedem Punkt der Erde eine Wetterstation haben."

Wetterdatenflut

Man kann sich diesem unerreichbaren Ideal nur annähern, indem ein möglichst dichtes, permanentes Messnetz durch zusätzliche Beobachtungen ergänzt wird. Mit Messbojen und Sensoren auf Handelsschiffen wird versucht, die großen Datenlücken auf den Ozeanen zu verkleinern. Wetterballons und mit Messgeräten ausgestattete Verkehrsflugzeuge liefern Daten aus der Höhe, Satelliten beobachten die Lage vom Erdorbit aus. Diese enorme Datenflut wird von riesigen Supercomputern verarbeitet und in globale Wettermodelle eingespeist. In Europa passiert das am Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage im britischen Reading, an dem auch Österreich beteiligt ist.

"Die globalen Mittelfristprognosen berechnen alle nationalen europäischen Wetterdienste gemeinsam", sagt Andreas Schaffhauser von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), einer Forschungseinrichtung des österreichischen Wissenschaftsministeriums. Diese Modelle erfassen aus den Unmengen an Messdaten die Entstehung von großskaligen Wettersystemen und Trends für die kommenden 14 Tage: Wo entstehen Hoch- und Tiefdruckgebiete, wird es wärmer, kühler oder feuchter werden als im langjährigen Mittel?

Daraus ergeben sich auch grobe Prognosen für konkrete Orte. Der Nachteil: Die räumliche Auflösung dieser weltumspannenden Modelle liegt nur bei 20 Kilometern. Kleinräumige Wetterphänomene und lokale topografische Gegebenheiten werden nicht berücksichtigt. Dafür braucht es feinere, regionale Modelle, die an der ZAMG zum Beispiel speziell auf den Alpenraum zugeschnitten sind, sagt Schaffhauser.

Kleine Fehler, große Folgen

Diese reichen allerdings deutlich kürzer in die Zukunft: Je kleinskaliger ein Modell ist, desto chaotischer und unberechenbarer sind die vorhergesagten atmosphärischen Vorgänge, so der ZAMG-Meteorologe. "Bei lokalen Gewittern oder Schauern hat man nur noch eine Vorhersagbarkeit im Stunden- oder Halbstundenbereich." Warum liegen aber selbst Kurzfristprognosen oft falsch, wenn man mit dem Smartphone in der Hand entscheiden will, ob sich die Fahrt zum Badesee noch lohnt?

Das habe einerseits mit den Datenquellen der Apps zu tun, sagt Schaffhauser. Denn viele Anbieter würden das amerikanische Wettermodell nutzen, dessen globale Prognosen zwar sehr gut und kostenfrei seien, jedoch nur eine grobe räumliche Auflösung böten. "Kommen die Daten von einem Wetterdienst aus der Region, erhält man schon genauere Vorhersagen." Zum anderen würden Apps mit ihren stündlichen Angaben für jeden beliebigen Ort eine Genauigkeit vortäuschen, die Wettermodelle nicht halten können. Und schließlich können auch kleinste Messfehler zu beträchtlichen Fehlprognosen führen.

Simple Symbole

Ein weiteres Problem gibt Ubimet-Meteorologe Brandes zu bedenken: Die Reduktion komplexer Wetterlagen auf simple Symbole öffnet einen breiten Interpretationsspielraum. Was genau bedeutet eine Sonne mit Regenwolke? Brandes: "Manche werden denken, Sonne, Wolken und Regen wechseln sich permanent ab, andere werden annehmen, dass es sonnig wird, aber auch mal regnen kann." Ohne weitere Information könnten leicht falsche Erwartungen entstehen.

Klar ist, dass sich die Wetterprognosen in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch verbessert haben: Heute hat eine Vorhersage für sechs Tage die gleiche Zuverlässigkeit wie vor 50 Jahren eine 24-Stunden-Prognose. Und dank neuer Messtechnik und steigender Rechenleistung ist in der Meteorologie noch viel Luft nach oben.

"Es wird aber nie möglich sein, das Wetter zu 100 Prozent exakt zu berechnen", so Brandes. "Die Atmosphäre ist ein chaotisches System – eine Unsicherheit wird immer bleiben." Im Zweifelsfall also lieber weiterhin den Regenschirm einpacken. (David Rennert, 19.9.2020)