Die Pandemie hat die Feierlaune massiv eingebremst. Das spüren auch die Champagnerwinzer deutlich. Sie ernten heuer weniger, um den Preis für Champagner stabil zu halten.

Foto: APA / AFP / Issouf Sanogo

Der Jahrgang 2020 werde von hervorragender Qualität sein, schätzen die Champagnerkenner mit Verweis auf den trockenen Vorwinter, gefolgt von einem kurzen Frühling und heißen Sommer. In den gewellten Rebbergen der Champagne um die Stadt Reims (östlich von Paris) hat die Ernte erstmals überhaupt schon Mitte August begonnen, zwei Wochen früher als sonst.

Doch wer hat in Covid-Zeiten überhaupt noch Lust auf den französischen Edelsprudel, diesen Ausdruck von Festfreude, Glamour und speziellen Feiern? Weltweit knallen die Schampuskorken bedeutend weniger häufig als in den vergangenen Jahren. Thibault Le Mailloux vom Branchenverband CIVC rechnet heuer mit einem Verkaufseinbruch von 30 Prozent.

Spiegelbild

Anders als Spirituosen und harte Alkoholika, deren Konsum bisweilen auch in Rezessionszeiten ansteigt, bildet Champagner den Zustand der Weltwirtschaft wie ein Stimmungsbarometer ziemlich genau ab. Die jahrelange Zunahme seines Umsatzes endet nun auf einen Schlag. Hart getroffen sind Kleinwinzer, aber auch alle großen Marken wie Mumm, Piper-Heidsieck oder Taittinger, die vor allem ins Ausland exportieren. In den Hauptmärkten Frankreich, Großbritannien und USA, aber auch in Schwellenländern wie China oder Brasilien ist Champagner weniger gefragt. Nach einem Rekordabsatz von fünf Mrd. Euro im Jahr 2019 dürften heuer weltweit nur 3,3 Mrd. Euro sprudeln.

Die Branche weiß seit der Finanzkrise von 2008, was es geschlagen hat: Ihr bisher so lukratives Geschäft mit dem doppelt gegärten Kohlensäuresprudel – ein Champagnerwinzer ohne Mercedes mache etwas falsch, besagt ein Bonmot – ist auf einmal bedroht. Es reagiert so empfindlich auf die planetaren Stimmungen, dass die Winzer geschlossen reagieren. In Absprache mit den großen Markenimperien wie LVMH (Moët & Chancon, Veuve Clicquot, Dom Pérignon) haben sie sich zu einer historischen Senkung der Jahresproduktion durchgerungen: Nur noch acht Tonnen Trauben werden pro Hektar geerntet; der Rest bleibt hängen oder verschwindet in den Brennereien für Industriealkohol. Das ist fast die Hälfte der zugelassenen Höchsternte von 15,5 Tonnen.

Künstliche Verknappung

Als Folge wird die Jahresproduktion von früher teilweise weit über 300 Millionen auf 230 Millionen Flaschen sinken. Die künstliche Verknappung ist nötig, um die übervollen Lager abzutragen – fast anderthalb Milliarden Flaschen warten in den Kalksteingruften der Champagne. Vor allem aber soll so ein Einbruch der Preise verhindert werden. Viele Kenner rechnen trotzdem mit einem Preiskrieg bis in die Supermärkte.

Die Aussichten bleiben über das laufende Jahr hinaus düster, befürchtet der Branchenverband CIVC. Da sie nicht mit übertrieben vielen Gelegenheiten zum globalen Feiern rechnet, will ein Teil der 16.000 Champagnerwinzer nun weg vom Image ihres Edelgetränks. Werbekampagnen empfehlen Champagner als Alltagsgetränk zum Snack, begleitet von einem harten Ei oder einer Büchse Sardinen.

Mit diesem Kurswechsel sind nicht alle einverstanden. Wer schon Schaumwein in die eigene Küche hole, tue das lieber mit Spumante oder günstigeren Sektmarken, wenden einige Winzer ein. Ihr Königsgetränk sei nun einmal für den besonderen Anlass bestimmt.

Der CIVC hütet sich deshalb in seinen Kampagnen vor einer allzu weitgehenden, auch preispolitischen Banalisierung des Champagners. Denn irgendwann nach Corona sollen die Korken wieder in Serie knallen. (Stefan Brändle aus Paris, 11.9.2020)