Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz wird als Zeuge im Wirecard-U-Ausschuss geladen.

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Eine Bewertung des Wirecard-Skandals gab Florian Toncar, der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, schon am Donnerstag in Berlin ab: "Es ist ein Kriminalfall, den man verhindern hätte können." Denn der Wirecard-Skandal sei "unter dem Radar sämtlicher Schutzsysteme" abgelaufen.

Doch es sind bei der größten Pleite eines Dax-Konzerns noch viele Fragen offen. Wie konnte es passieren, dass der Zahlungsabwickler zunächst Luftbuchungen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro erfand, dann pleite ging und aus dem DAX flog?

Und vor allem: Hat der deutsche Finanzminister Olaf Scholz (SPD), dessen Haus für die Finanzaufsicht Bafin zuständig ist, nichts mitbekommen? Ebenso wenig wie Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), in dessen Zuständigkeitsbereich die privaten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften fallen?

Hat sich Regierung für Wirecard eingesetzt?

Diese Fragen sollen nun in einem U-Ausschuss des Bundestags geklärt werden. Ebenso hinterfragen will der U-Ausschuss, ob und in welcher Weise sich die Regierung für Wirecard in Deutschland oder im Ausland eingesetzt hat. Kanzlerin Angela Merkel hatte 2019 auf einer China-Reise für Wirecard geworben, später aber erklären lassen, dass sie von Ungereimtheiten zu diesem Zeitpunkt nichts gewusst habe.

Den entsprechenden Antrag für den Auftrag des Ausschusses haben FDP, Grüne und Linke am Donnerstag in Berlin vorgestellt. Wenig Freude dürfte Finanzminister Scholz mit einem Passus haben, der "seine" Bafin betrifft.

Dieser lautet so: Der Ausschuss möge auch aufarbeiten, "ob die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) etwaiges strafbares und/oder manipulatives Handeln erkannt hat oder früher hätte erkennen können und zu welchem Zeitpunkt sie welche Maßnahmen ergriffen hat oder hätte ergreifen können, die das Ausmaß des finanziellen Schadens für Anlegerinnen und Anleger voraussichtlich hätte verringern können".

Scholz ist Kanzlerkandidat der SPD, er will Merkel beerben, und da kommt ihm der Ausschuss natürlich im Wahljahr 2021 äußerst ungelegen. Da ist es nur ein schwacher Trost für ihn, dass auch Wirtschaftsminister Altmaier (CDU) vom Ausschuss nicht verschont werden soll.

FDP-Mann Toncar betonte am Donnerstag: "Es ist kein Scholz-Tribunal." Der Vorwurf, die Opposition wolle bloß den Kanzlerkandidaten der SPD beschädigen, sei unsinnig.

Kein "Scholz-Rabatt"

Auch der finanzpolitische Experte der Grünen, Danyal Bayaz, erklärte mit Blick auf den Kanzlerkandidaten, es gebe "weder Zusatz-Motivation noch Scholz-Rabatt".

Als Zeuge soll Scholz natürlich vernommen werden, ebenso der bayrische Ministerpräsident Markus Söder (CSU), da der Sitz von Wirecard ja in Bayern ist.

Der Linken-Finanzexperte Fabio di Masi hält es "für durchaus angebracht", auch Kanzlerin Merkel zu laden– dann nämlich, wenn die Akten aus der Regierung zu dem Fall nicht aussagekräftig sein sollten.

Die Abgeordneten denken auch über eine Ladung von Ex-Wirecard-Chef Markus Braun nach. Der Österreicher sitzt in Bayern in U-Haft, Ex-Vorstandsmitglied Jan Marsalek, ebenfalls ein Österreicher, ist auf der Flucht. Formal muss der Ausschuss noch beschlossen werden, dies könnte im September passieren. Dann geht die Arbeit im Oktober richtig los. (Birgit Baumann aus Berlin, 11.9.2020)