Ein gewisser B. fragt seinen Freund – das ist der Ich-Erzähler –, ob er ihn ins Theater begleiten wolle, allerdings sei das Theater nicht in London, sondern in Oberammergau: "erste Ausfahrt links nach dem Bahnhof Oberau, fünfzig Kilometer von München". Was dort gespielt wird, weiß man nicht genau, man müsse sich eben überraschen lassen und: Die erste Inszenierung sei schon nächsten Montag.

Wenn ein Buch so beginnt und zwei Briten im Frühjahr 1890 aus dem viktorianischen Empire ins wilhelminische Deutschland reisen, um am Ende im bayrischen Oberammergau die alle zehn Jahre stattfindenden Passionsspiele zu besuchen, dann muss man, darf man getrost eine englische Komödie erwarten.

Ob sie freilich, wie der Klappentext nahelegt, so komisch wie Monty Python oder Mr. Bean ist, soll am besten dem Leser überlassen bleiben. A Diary of a Pilgrimage, 1891 veröffentlicht und erst jetzt ins Deutsche übersetzt, ist keine fiktive Geschichte. Der Autor Jerome Klapka Jerome hat darin seine eigenen Reiseeindrücke verarbeitet, so wie schon im Buch davor, dem 1890 erschienenen Roman Three Men in a Boat (auf Deutsch 1920), der den Bootsausflug dreier junger Männer auf der Themse beschreibt und zu einem der witzigsten Bücher in der englischen Literaturgeschichte wurde. Es machte seinen Autor, der seine Karriere mit dem Aufsammeln von Kohlen entlang Eisenbahnschienen begann, ehe er Schauspieler und Kritiker wurde, mit einem Schlag populär, ein regelrechter Hype war die Folge: Auf der Themse verdoppelte sich die Zahl der Ausflugsboote, ebenso schnell verkauften sich in den USA die Raubdrucke, das ergab weltweit eine Millionenauflage.

Waschschüsseln & Bierkrüge

Mit dem Buch Zwei Mann auf Pilgerfahrt ein Jahr später wollte Jerome an den Erfolg anschließen, mit dem gleichen Muster: ein Reisebericht als Rahmenhandlung für humoristische Reflexionen und kleine Anekdoten, wobei die Schilderungen immer im Ernsthaften ansetzen und das Beobachtete erst mit Verzögerung zur subtilen Humoreske wird.

Jerome K. Jerome, "Zwei Mann auf Pilgerfahrt". Übersetzt und herausgegeben von Alexander Pechmann. € 22,– / 181 Seiten. Jung und Jung, Salzburg und Wien 2019

Heute würde man sagen: ein Reiseführer der anderen Art, der sich aus britischer Sicht über kontinentale, vor allem deutsche Gegebenheiten lustig macht – Zugfahrpläne, Waschschüsseln, Betten, Bierkrüge … Das muss den englischen Leser erheitert haben. Umgekehrt würde kein deutscher Autor sich über das Angebot auf einer Münchner Speisekarte "Liptauer garniert" ausgebreitet haben. Aber in diesem Kontext wird jeder Käse, der aussieht "wie ein Käse, der in Schwierigkeiten geraten war", zum exotischen Erlebnis.

Passionsspiele

Das ist gewiss auch kulturgeschichtlich relevant, öffnen sich doch, aus dem Blickwinkel eines Briten, ganz ungeahnte Sichtweisen, nicht nur, wenn es um die Psychologie der Passionsspiele geht. Anderes mag wohl übertriebener Fantasie entsprungen sein, etwa dass die "sehr kritischen" Münchner Konzertbesucher ihren Wagner, Mozart, Haydn "gern mit Würsten und Salat konsumieren".

Überhaupt: "Wer das deutsche Volk kennenlernen will wie seine Kirchen und Burgen, sollte einen Biergarten besuchen." Das stellen sich die Briten vermutlich noch heute so vor. (Gerhard Zeillinger, 12.9.2020)