Polizisten und ein Sicherheitsmitarbeiter stehen vor dem Haupteingang der Berliner Charité, wo Alexej Nawalny behandelt wird.

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Berlin/Moskau – Russland will einem Medienbericht zufolge eigene Ermittler im Fall des vergifteten Kremlkritikers Alexej Nawalny nach Deutschland schicken. Das russische Innenministerium bereite ein entsprechendes Gesuch an die deutschen Behörden vor, meldete die Nachrichtenagentur Tass am Freitag.

Wie die sibirische Polizei am Freitag mitteilte, will Russland erreichen, dass russische Ermittler dem Oppositionellen und anderen Zeugen "klärende Fragen" stellen können. Russische Ermittler wollen demnach zudem ihre deutschen Kollegen bei deren Ermittlungen begleiten.

Vertraulichkeit geboten

Von der deutschen Regierung heißt es, dass bisher kein Ersuchen aus Moskau, eigene Ermittler nach Berlin zu schicken vorliege. Man habe "Schritte zur Beweissicherung eingeleitet", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.Dieser Prozess sei aber noch nicht abgeschlossen. Im übrigen sei hier Vertraulichkeit geboten.

Was bereits vergangene Woche in Deutschland eingelangt ist, ist eine Rechtshilfeersuchen Russlands. Die Berliner Staatsanwaltschaft wurde nun von der Justizsenatsverwaltung beauftragt diesem Folge zu leisten. Demnach sollen außerdem vorbehaltlich Nawalnys Zustimmung Auskünfte über dessen Gesundheitszustand eingeholt werden.

Der Fall belastet das deutsch-russische Verhältnis zunehmend. Ein Speziallabor der deutschen Bundeswehr hatte nach Angaben der Bundesregierung zweifelsfrei festgestellt, dass Nawalny mit einem chemischen Kampfstoff der Nowitschok-Gruppe vergiftet wurde. Russische Ärzte hatten dagegen erklärt, sie hätten keine Hinweise auf eine Vergiftung gefunden.

Breite Front für Aufklärung

Die deutsche Regierung hat zuletzt erklärt, Russland nicht die genauen Befunde des Bundeswehr-Speziallabors zur Verfügung stellen zu wollen. Die Laborergebnisse seien der internationalen Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) übermittelt worden, der auch Russland angehöre, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Mittwoch. Russland warf Deutschland daraufhin eine "Desinfromationskampagne" vor.

Aufklärung des Vergiftungsfalls haben mittlerweile mehrere EU-Staaten, die Nato, die USA und die G7-Außenminister gefordert. In der EU wird gleichzeitig über Sanktionen gegen Russland diskutiert. Unter anderem geht es um einen Stopp des Pipelineprojekts Nord Stream 2.

Der prominente Kritiker von Russlands Präsident Wladimir Putin war am 20. August auf einem Inlandsflug kollabiert. Nach einer Notlandung wurde er zunächst in einer Klinik im sibirischen Omsk behandelt, bevor er am 22. August nach Deutschland ausgeflogen und in die Berliner Charité verlegt wurde. Nawalny ist mittlerweile aus dem Koma erwacht und ist ansprechbar.

Mit Nowitschok, das in der Sowjetunion entwickelt wurde, war bereits der russische Ex-Doppelagent Sergej Skripal 2018 in Großbritannien vergiftet worden. (APA, red, 11.9.2020)