Zum Eingangsmanagement in den Schulen gehört in Corona-Zeiten auch der Babyelefant.

Foto: APA/Schlager

Die Schulen im Osten Österreichs, also in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland, haben die erste Woche "mit Corona" im neuen Semester hinter sich. In der Bundeshauptstadt wurden drei erste Covid-19-Fälle an drei unterschiedlichen Standorten registriert. Und am Montag geht es im Rest des Landes zurück in die Klassenzimmer.

Wie also sieht das Resümee der ersten Woche von der Lehrer- und Direktorenseite aus?

Wie läuft es also, Paul Kimberger? Fragt man den Vorsitzenden der Pflichtschullehrergewerkschaft nach Rückmeldungen aus den Schulen, kommt als erste Antwort: "Es gibt Verunsicherung auf mehreren Ebenen. Vor allem wegen der extrem späten Informationen. Wir haben die Richtlinien am vergangenen Freitag auf den letzten Drücker bekommen. Bis Montag mussten die Schulen klären, wie sie das Gesetz auf den einzelnen Standort herunterbrechen, wobei viele Detailfragen überhaupt nicht geklärt sind." Kimberger sieht die ersten Schulwochen jedenfalls als "Crashtest" für die verordneten Corona-Maßnahmen. Im Moment sei die Lehrergewerkschaft dabei, "viele Detailfragen mit dem Bildungsministerium und den Bildungsdirektionen zu klären".

Keine Katastrophen, aber Belastung

Eine, die all diese Anordnungen umsetzen muss, ist Isabella Zins. Die Leiterin des BORG Mistelbach in Niederösterreich ist Sprecherin der AHS-Direktorinnen und -Direktoren und kann nach der ersten Schulwoche "keine Katastrophenmeldungen" berichten, sehr wohl aber, "dass es eine grenzwertige Belastung ist, den heurigen Schulbeginn zu organisieren". Zu den ohnehin schon aufwendigen organisatorischen Aufgaben zu Schulbeginn kommen noch vermeintliche Randthemen, die für den Schulalltag aber auch wichtig sind – und die es in Corona-Zeiten besonders zu beachten gelte, erzählt Zins: "Wir müssen uns für jedes Ritual etwas Neues einfallen lassen."

Pandemie-taugliche Schulrituale

Die jährliche Schulbeginnfeier etwa sei heuer entfallen, weil die Aula ihres Gymnasiums schlicht zu klein ist, um alle Schülerinnen und Schüler mit dem notwendigen Abstand darin zu versammeln. "Ich gehe stattdessen durch alle Klassen und begrüße sie. Oder Elternabende. Da werde man platzbedingt auch zwangsläufig die Zahl der Teilnehmenden beschränken müssen.

Logistisch bedeutet Schule in Corona-Zeiten adaptierte Pausenordnungen, eine Hälfte der Klasse geht raus, die andere bleibt drin und beim nächsten Mal umgekehrt. Aber auch widersprüchliche Anordnungen: Wenn etwa die Schule am Eingang Abstandsmanagement machen muss für Kinder, die gemeinsam in oft "vollgestopften" Schulbussen, in denen der Mund-Nasen-Schutz nicht immer, wenn überhaupt, sitzt, wie er sollte, anreisen. Die Klassenordner sind nun auch "Lüftungsmanager", nach einer halben Unterrichtsstunde werden die Fenster, so sie nicht ohnehin offen sind, geöffnet.

Pädagogik statt immer nur Corona

Und die Kernaufgabe der Schule? "Im Unterricht läuft es gut", sagt die Direktorensprecherin: "Die Schülerinnen und Schüler wollen nicht, dass man in jeder Stunde über Corona redet. Jetzt geht es wieder um Pädagogik, und das ist auch gut so."

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Wie stellt sich der Schulanfang aus Sicht einer Direktorin dar, die in Wien eine Neue Mittelschule leitet? Wie hat sie Woche eins nach den Sommerferien, vor allem aber nach dem vorgelagerten Lockdown erlebt? Andrea Walach, die die NMS Gassergasse im fünften Wiener Gemeindebezirk Margareten leitet, schildert im Interview, dass für die Frage ausfallender Risikopatienten in der Lehrerschaft von den übergeordneten Behörden nicht rechtzeitig Vorsorge getroffen wurde. Die Direktorinnen und Direktoren hängen jetzt in der Luft. Ihnen fehlen diese Lehrkräfte, aber sie haben dafür keine Ersatzressourcen.

"Ich weiß nicht, wie ich den Lehrkräfteausfall kompensieren soll"

Direktorin Andrea Walach leitet die NMS in der Gassergasse in Wien-Margareten.
Foto: Sulzer

STANDARD: Wie ist Ihre erste Bilanz nach einer Schulwoche "mit Corona"?

Walach: Im Prinzip läuft alles gut. Wir haben mehr als ausreichende Informationen aus dem Ministerium und der Bildungsdirektion erhalten und wissen, was im Verdachtsfall zu tun ist. Wir haben auch genug Desinfektionsmittel, Ersatzmasken und ein kontaktloses Fieberthermometer. Wir sind bereit.

STANDARD: Und was funktioniert nicht so, wie Sie sich das wünschen?

Walach: Das Ministerium und die Bildungsdirektion hätten schon auf Basis der Erfahrungen im Lockdown früher Vorsorge treffen müssen für den Ausfall von Lehrkräften, die zur Risikogruppe gehören. Wir müssen wissen, ob wir bezahlte Mehrdienstleistungen oder unbezahlte Supplierstunden einteilen sollen? Jede Lehrkraft muss pro Jahr nach altem Dienstrecht 20 oder nach neuem 24 Stunden für Vertretungen eines verhinderten Lehrers erbringen. Da ist jetzt nichts geregelt, ich habe keine entsprechenden Ressourcen, weiß auch nicht, wie ich den Ausfall kompensieren soll. Das kritisiere ich schon, dass es dafür nicht rechtzeitig Regelungen gab und wir behelfsmäßig starten müssen. Das ist schlecht für den Schulanfang und schlecht für die Kinder.

STANDARD: Haben Sie sonst noch Wünsche für das Corona-Schuljahr?

Walach: Ja. Sollte Wien irgendwann auf Orange geschaltet werden, dann dürfen wir keine Lehrausgänge mehr machen. Das wäre schlimm. Bei uns ist jeder Mittwoch Projekttag, wo wir fächerübergreifenden dislozierten Unterricht machen. Wir gehen mit den Kindern in den Wald oder in Museen, da sind jetzt kaum andere Besucher. Oder es gibt Workshops mit Experten. Das ist eine große Bereicherung, und die Schüler sind da eigentlich sicherer als in der Schule, wo alle zusammen sind. Mit Orange würden dann erst recht alle in die Schule vergattert. Vor allem wünsche ich mir, dass die Schulen so lange wie möglich offen halten.

STANDARD: Pro forma: Warum?

Walach: Weil die Isolation der Kinder während des Lockdowns große psychische Belastungen ausgelöst hat. Die Kinder haben sich total in sich verkrochen und hatten keinen Kontakt mehr zu Freunden. Sie waren unglaublich froh, dass sie wieder in die Schule dürfen. Einige Eltern, die es sich leisten können, nehmen für ihre Kinder jetzt psychologische Beratung in Anspruch.

ZUR PERSON:

Andrea Walach (63) ist seit 1999 Direktorin der Neuen Mittelschule (NMS) Gassergasse in Wien-Margareten.

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Wie erging es zwei Lehrerinnen, die in Wien, das als einziges Bundesland mit gelber Ampelphase das neue Schuljahr beginnen musste, in der ersten Woche? Verena Hohengasser und Simone Peschek unterrichten an der NMS Enkplatz im elften Wiener Gemeindebezirk Simmering. Vieles im neuen Schulbetrieb unter Corona-Bedingungen sei eine Gewöhnungssache, sagen sie, einige Vorschläge jedoch recht praxisfern. Und warum Lehrkräfte – anders als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Gastronomie – nicht auch regelmäßig getestet werden, verstehen sie nicht. Vielmehr sehen sie darin eine Frage der politischen Prioritäten. Ein Protokoll.

Verena Hohengasser (li.) und Simone Peschek unterrichten an der NMS Enkplatz in Wien-Simmering.
Foto: Heribert Corn

"Für die Kids war es eigentlich ein recht normaler Schulstart. Sie tragen halt Masken am Gang – auch wenn man sie viel daran erinnern muss. Sie sagen dann: Es ist heiß. Oder sie vergessen einfach darauf. Die noch größere Umstellung ist der Abstand im Alltag. Gerade in den Pausenzeiten ist das teilweise wirklich sehr unrealistisch, gerade auch, weil sie in den Klassen dann ja sehr dicht beisammensitzen.

Für uns als Lehrerinnen bedeutet Schule in Corona-Zeiten, dass wir viele Sonderregelungen mitdenken und umsetzen müssen. Was passiert, wenn die Ampel gelb ist? Was, wenn sie auf Orange umspringt? Das kann sich ja von Woche zu Woche ändern. Und es gibt viele sehr kleinteilige Lösungen, die wir im Kopf haben müssen. Zum Beispiel haben wir gestaffelte Buffetzeiten, was Sinn macht, aber für uns heißt, dass wir aufpassen müssen, die Kinder zum richtigen Zeitpunkt an den richtigen Ort zu schicken. Aber das ist sicher Gewöhnungssache.

Draußen Sporteln! Auf einem Sportplatz für 900 Kinder?

Was den Unterricht angeht, ist zum Beispiel beim Turnen nicht mehr die ganze Klasse zusammen, sondern in zwei Gruppen geteilt, von denen eine, solange es wettertechnisch geht, draußen ist. Aber da zeigt sich schon ein sehr konkretes Problem: Unsere Schule hat 450 Kinder, unsere Nachbarschule auch – und wir teilen uns einen Sportplatz.

Wenn es jetzt immer heißt: Unterricht so oft wie möglich draußen, dann stellen sich das viele einfacher vor, als es in der Praxis ist. Es wurde das Beispiel vom Biologieunterricht gebracht, dass man draußen Bäume bestimmen soll. Das haben wir schon immer so gemacht, aber Schreiben ohne Sitzgelegenheit und Tische ist dann schwierig. Nicht zu vergessen der logistische Aufwand, um eine Klasse nach draußen zu übersiedeln, da geht schnell die halbe Unterrichtszeit drauf.

Keine Angst, aber ein bisschen Schicksalsergebenheit

Ob wir selbst in der Schule Angst haben? Angst ist nicht das richtige Wort. Ein bisschen schicksalsergeben sind wir vielleicht. Wenn es heißt, die Klasse ist quasi eine epidemiologische Haushaltsgemeinschaft, dann empfinden wir sie nicht als Schutz, die Kinder treffen am Nachmittag ja auch Freunde außerhalb. Es empört uns vielmehr, dass wir nicht regelmäßig getestet werden wie etwa die Mitarbeiter in der Gastronomie. Aber es zeigt auch, wo die Prioritäten liegen."

ZU DEN PERSONEN:

Verena Hohengasser (31), Psychologin, und Simone Peschek (30), Sprach- und Religionswissenschafterin, unterrichten via Teach for Austria an der Neuen Mittelschule (NMS) Enkplatz in Wien-Simmering.

(Text, Interview und Protokoll: Lisa Nimmervoll, 12.9.2020)