Unter Macrons Federführung versammelten sich sieben Mittelstaaten auf Korsika, um Sanktionen gegen die Türkei zu besprechen.

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Ajaccio – Unter Führung Frankreichs drohen die südlichen EU-Mitglieder der Türkei mit Sanktionen, falls diese keine Bereitschaft zeigt, den Gasstreit im Ostmittelmeer friedlich beizulegen. Der französische Präsident Emmanuel Macron versammelte am Donnerstagabend in Ajaccio auf Korsika die Staats- und Regierungschefs von Italien, Spanien, Portugal, Griechenland, Zypern und Malta. Das Siebenertreffen namens Med7 galt als Vorbereitungstreffen für den EU-Gipfel Ende September. Dabei könnten, wie die sieben in einer Schlusserklärung drohen, Sanktionen gegen Ankara beschlossen werden.

Macron selbst erklärte eher verbindlich, er sei nach wie vor für einen Dialog und eine Verhandlungslösung mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, der Forschungsschiffe in griechische Gewässer entsandt hat, um nach Erdgas zu suchen. Nachdem Macron dem türkischen Präsidenten ein "kriminelles" Vorgehen unterstellt hatte, kam das Echo, die Franzosen seien "geldgierig und inkompetent". Von einer italienischen Fregatte flankiert, trafen sich daraufhin französische und griechische Kriegsschiffe im Ostmittelmeer zu einem Flottenmanöver, das von Ankara als direkter Affront aufgefasst wurde.

Klar abgesteckte Rollen

Auf dem Med7-Gipfel in Korsika war der Ton nun etwas gesitteter. Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez sprach von der Notwendigkeit einer "Deeskalation". Die Haltung Madrids liegt faktisch nahe bei derjenigen Deutschlands, das eine vermittelnde Position zwischen Ankara und Paris einnimmt.

Kanzlerin Angela Merkel war auf dem Gipfel zwar nicht physisch, dafür politisch sehr präsent. Anders als zur Amtszeit von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, der seine heute versandete "Mittelmeerunion" auch als südliche Antwort auf das wirtschaftliche Erstarken der Nord-EU verstanden hatte, scheinen Macron und Merkel nun ihre Rollen miteinander abgesprochen zu haben: Er spricht mit Erdoğan Klartext, sie besänftigt die Parteien und sucht einen neuen Erpressungsversuch Ankaras in der Flüchtlingsfrage zu verhindern.

Sanktionen ungewiss

Die Absprache zwischen Berlin und Paris hat allerdings auch ihre Grenzen. Dass Macron so forsch gegen die türkische Seerechtsverletzung vorgeht, erklärt sich auch damit, dass er weniger Rücksicht auf die Nato nimmt, deren Mitglied die Türkei ist. Merkel will hingegen das nicht zuletzt wegen der Politik von US-Präsident Donald Trump ohnehin lädierte westliche Verteidigungsbündnis nicht weiter schwächen. Deshalb scheint es weiterhin unklar, ob die EU bei ihrem nächsten Gipfeltreffen am 24. und 25. September wirklich Sanktionen gegen die Türkei verhängen wird. (Stefan Brändle, 11.9.2020)