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Die AUA wäre ohne staatliches Hilfspaket vermutlich Geschichte.

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Man stelle sich folgende Situation vor: Ein Ringstraßenhotel lebte bisher vom regen Tourismus in Wien. Doch trotz großer Kongresse und vieler internationaler Gäste blieb wegen hoher Miet- und Personalkosten nicht viel übrig. Dann kam Corona. Die Auslastung fiel auf zehn Prozent des normalen Niveaus, über die Runden kommt der Beherbergungsbetrieb nur dank staatlicher Kreditgarantien, Steuerstundungen und Fixkostenzuschuss. Nun stellt sich die Frage, was nach Corona passieren wird.

Tummeln sich Chinesen und Amerikaner dann wieder in Schönbrunn und in der Staatsoper? Kommen jemals wieder 20.000 Ärzte zum Radiologenkongress in die Bundeshauptstadt? Viele meinen, dass auch ein wirksamer Impfstoff dem Städtetourismus nicht ganz auf die Beine helfen wird.

Viel Flugzeugschrott

Gut möglich, dass das fiktive Hotel dank öffentlicher Stützungen noch zwei Jahre dahinsiechen wird, bevor es für immer die Pforten schließen muss. Ein ähnliches Szenario droht den Fluglinien, unter anderem weil Businessreisen auch nach Corona vermehrt durch Videokonferenzen ersetzt werden dürften. International kürzen die Airlines ihre Kapazitäten für den Winterflugplan um bis zu 70 Prozent. Viele Unternehmen, auch die AUA, erhielten massive Staatshilfe, doch ob die Industrie jemals wieder Boden unter den Rädern spüren wird, steht in den Sternen. Insider meinen, dass die AUA-Mutter Lufthansa bereits davon ausgehe, dass man in drei bis vier Jahren immer noch 40 Prozent unter Vorkrisenniveau liegen werde. Das hätte massive Folgen.

Ob Hotel, Fluglinie oder Reisebüro, Händler und viele andere gebeutelte Unternehmen: Sie werden derzeit von liberalen Ökonomen mit unheimlichen Figuren verglichen: Zombies. Die Bezeichnung verwenden Wirtschaftsexperten als Synonym für Betriebe, die verschuldet sind und nur dank niedriger Zinsen und Staatshilfen überleben. Diese Firmen binden Human- und Finanzkapital, das in aufstrebenden Sektoren fehlt, und behindern somit Strukturwandel und Wachstum, wie der Wirtschaftsforscher Gabriel Felbermayr in einem STANDARD-Interview meinte.

Der Österreicher Gabriel Felbermayr leitet das Kieler Institut für Weltwirtschaft.
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Nährboden für Zombies

Neu ist das Thema nicht, besonders populär wurde es nach dem Platzen der Immobilienblase Anfang der 1990er-Jahre in Japan. In der folgenden Stagnation wurden überschuldete Unternehmen mit Kredit- und Staatshilfe künstlich beatmet. Auch die Nullzinspolitik der internationalen Notenbanken nach Ausbruch der globalen Finanzkrise vor zwölf Jahren schuf einen guten Nährboden für Zombies.

Einer, der diese Entwicklung besorgt verfolgt, ist Gerhard Weinhofer, von Beruf Gläubigerschützer. Die von ihm geleitete Organisation Creditreform setzt sich beispielsweise für Lieferanten ein, die auf Geld von Kunden warten. Weinhofer hat sich auf Zombie-Suche begeben und dabei die Bilanzen heimischer Betriebe durchforstet. Weinhofer kommt zu einem erschreckenden Ergebnis: Mehr als fünf Prozent der österreichischen Unternehmen haben in den drei Jahren bis einschließlich 2019 keine Gewinne erwirtschaftet.

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Zombies – so nennt man nicht nur Untote in Filmen sondern auch künstliche am Leben gehaltene Firmen.
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Weinhofer qualifiziert sie daher als ungesund oder eben als Zombies und verweist darauf, dass es sich um konjunkturell gute Jahre gehandelt hat. Corona werde den Anteil der Betriebe mit geringen Überlebenschancen auf zehn Prozent verdoppeln, schätzt der Creditreform-Geschäftsführer. Das wären dann 50.000 Betriebe, denen das Aus droht. Das Aussetzen von Insolvenzen, Hilfen oder Kredite würden das Problem nur nach hinten verlagern, sagt Weinhofer: "Da wird ein riesiger Staudamm errichtet, der eines Tages übergeht. Dann kommt keine Pleitewelle, sondern ein Tsunami auf uns zu."

Kampfpreise schaden

Doch das ist nicht alles, wie ein anderer Experte meint: Daniel Knuchel ist Partner der Unternehmensberatung Advicum. Er teilt Weinhofers Einschätzung und befürchtet, dass noch mehr Schäden angerichtet werden als die genannten: "Die Zombies fahren mit Preisen in den Markt, bei denen die gesunden Betriebe nicht mehr mitkönnen." Sie würden dann letztlich mitgerissen, obwohl ihr Geschäftsmodell intakt sei, erläutert Knuchel.

Wie Felbermayr glaubt auch der Consulter, dass man den Strukturwandel nicht aufhalten soll. Das gelte etwa für den Tourismus, insbesondere in Städten wie Wien, wo riesige Bettenkapazitäten aufgebaut wurden. Aber auch im Textil- oder Schuhhandel, wo der Druck schon vor der Krise groß war, werde es für viele Betriebe eng. Im Zuge des Lockdowns sei viel Geld in den Online-Handel umgeleitet worden, das nicht wieder in die Geschäfte zurückkommen werde, ist Knuchel überzeugt.

Hilfspaketeschnürer Blümel

Einer, der hier direkt angesprochen ist, heißt Gernot Blümel. Der Finanzminister gefällt sich nach einigen Startschwierigkeiten nun in der Rolle des Retters der Betriebe und schnürt ein Hilfspaket nach dem anderen. 50 Milliarden Euro schwer ist der Rettungsring für die Volkswirtschaft nach eigenen Angaben. Bei der ab Mitte September geplanten Ausweitung des Fixkostenzuschusses matcht sich Blümel gerade mit der EU-Kommission, die das Instrument als überaus generös erachtet. Schon davor gab es einige Scharmützel, weil Wien mehr Geld verteilen will, als es Brüssel recht ist.

Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) versucht, die EU-Kommission vom Fixkostenzuschuss zu überzeugen.
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Blümel verteidigt den Kurs und spricht von einer in den Winter hinein anhaltenden Krise. Den Diskussionen über verschüttetes Steuerzahlergeld und eine notwendige Marktbereinigung kann er nichts abgewinnen: "Es ist wichtiger, Unternehmen zu retten, die vor der Krise gesund waren, und vielleicht auch ein paar, die schon vorher Probleme gehabt haben, mitzunehmen, als dass wir Firmen in Insolvenz gehen lassen, die eigentlich gut unterwegs waren", meint der Finanzminister.

Ablaufen der Steuerstundungen

Und was sagt er zur Gefahr, dass nach Auslaufen der Steuerstundungen viele Betriebe erst recht unter der Last höherer Kredite und Finanzamtsforderungen zusammenbrechen? Auch da will Blümel Abhilfe schaffen und dafür sorgen, dass der Großteil der Steuerstundungen "nicht zurückgezahlt werden muss und in den Unternehmen verbleibt". Wie das umgesetzt werden soll, wird noch beraten. Aktuell werde an praktikablen Lösungen für die Zeit nach Auslaufen der Steuerstundungen Mitte Jänner 2021 gearbeitet, so Blümel.

Ökonomen-Steuerberater Gottfried Schellmann ist einer, der die Gastronomie gut kennt. Sie, Veranstaltungsbetriebe, die Kreativbranche und andere seien zwar wirtschaftlich meist bescheiden aufgestellt, beschäftigten aber viel Personal und zahlten brav Abgaben, betont der Experte. Das ist in Österreich nichts Außergewöhnliches, immerhin sind 22 Prozent der Klein- und Mittelunternehmen überschuldet. Die alle über die Klinge springen zu lassen, nur weil sie aus liberaler Marktsicht nicht gestützt werden sollten, hält Schellmann für Unsinn und allein schon die Diskussion darüber für eine "Walze mancher Ökonomen". (Andreas Schnauder, 12.9.2020)