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Viel bleibt von der Steuersenkung in der untersten Steuerstufe nicht. Schuld ist die kalte Progression.

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Im September oder im Oktober haben die Österreicher wieder mehr Geld auf dem Konto, zumindest die meisten. Grund ist die Senkung der untersten Steuerstufe von 25 auf 20 Prozent, die rückwirkend in Kraft getreten ist. Mit dem aktuellen oder kommenden Gehaltszettel wird somit auch die Entlastung der bereits vergangenen Monate dieses Jahres spürbar. Sie beträgt ab Einkommen von rund 1800 brutto monatlich auf das ganze Jahr gerechnet rund 350 Euro.

Doch das Wort Entlastung ist in diesem Fall zwiespältig. Nach einer Berechnung des wirtschaftsliberalen Thinktanks Agenda Austria gibt die Regierung nicht einmal jene Summe an die Bürger zurück, die sie sich jährlich als Körberlgeld holt. Das streift die Republik im Rahmen der sogenannten kalten Progression ein. Sie entsteht dadurch, dass die Steuerpflichtigen durch Lohnanpassungen an die Inflation mit einem größeren Anteil des Einkommens in höhere Tarifklassen steigen und somit die Steuerlast ständig steigt.

Österreich ohne große Sprünge

Agenda Austria hat sich nun angesehen, wie die Österreicher unter dem Strich aussteigen. Um es vorwegzunehmen: schlecht. "Die Abschaffung der kalten Progression hätte mehr gebracht als die Senkung des untersten Steuertarifs", sagt der Agenda-Experte Dénes Kucsera. Die Mehrbelastung durch diesen Effekt seit der letzten Tarifsenkung im Jahr 2016 gibt er mit 3,7 Milliarden Euro an. Nächstes Jahr kämen weitere zwei Milliarden Euro hinzu. Ein gemischtes Bild ergibt sich laut Kucsera, wenn man auch den seit 2019 geltenden Familienbonus berücksichtige. Während Familien tendenziell besser aussteigen, sind kinderlose Personen schlechter dran.

Wirft man einen Blick auf die von der Industriestaatenorganisation OECD erhobene Gesamtbelastung auf den Faktor Arbeit, macht Österreich mit der jüngsten Tarifsenkung keine großen Sprünge. Steuern und Abgaben reduzierten die gesamten Lohnausgaben des Arbeitgebers bei einem Durchschnittsverdiener im Vorjahr um 47,9 Prozent.

Stillstand im OECD-Ranking

Nur in Belgien, Deutschland und Italien ist die Belastung des Faktors Arbeit noch höher. Mit der Senkung des Eingangssteuersatzes wird sich der Abzug lediglich auf 47,3 Prozent reduzieren, hat Kucsera berechnet. Im Ranking der OECD mache Österreich damit keinen Platz gut, sagt der Experte. Um auf die durchschnittliche Lohnbelastung in der EU zu kommen, müsste das Land deutlich mehr in die Hand nehmen: zehn Milliarden Euro.

Die hohen Abgaben veranschaulicht Agenda Austria mit einem Vergleich mit anderen Ländern. Demnach hätte ein österreichischer Durchschnittsverdiener monatlich 240 Euro mehr in der Geldbörse, wenn er dem schwedischen Abgabensystem unterliegen würde. Nach der Senkung des untersten Tarifs wäre er in Schweden immer noch um 211 Euro bessergestellt. Einer Familie mit zwei Kindern im dänischen System wiederum blieben 875 Euro mehr netto im Monat (846 Euro nach der Steuersenkung). (Andreas Schnauder, 12.9.2020)