Dominik Nepp will auch jetzt in direkten Kontakt mit der Bevölkerung treten. Der Kontakt mit Johann Gudenus wiederum sei überschaubar.

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Beim Interviewtermin im Rathaus macht FPÖ-Chef Dominik Nepp von seiner Ablehnung der "Corona-Hysterie" keinen Hehl. Er respektiert aber ebenso den Wunsch, zur Begrüßung auf das Händeschütteln zu verzichten.

STANDARD: Sie bezeichnen den Mund-Nasen-Schutz als "Regierungsburka", schütteln Hände im Wahlkampf. Was stört Sie an den Corona-Empfehlungen?

Nepp: Die Regierung will, dass die Menschen Angst haben. Da wird nicht ehrlich gehandelt. Und für die Corona-Ampel fehlt jegliche Rechtsgrundlage. Da wird willkürlich geschaltet, um Panik und ein Gefühl von Angst zu erzeugen. Da mache ich nicht mit.

STANDARD: Händeschütteln hat nichts mit der Ampelfarbe zu tun.

Nepp: Wenn mir jemand die Hand entgegenstreckt, werde ich sie nicht verweigern.

STANDARD: Welche Maßnahmen würden Sie setzen? In Wien gab es fast 400 Neuinfektionen an einem Tag.

Nepp: Corona ist nur für gewisse Risikogruppen gefährlich: Das sind multimorbide und alte Menschen. Wenn man dort gewisse Schutzvorkehrungen trifft, habe ich nichts dagegen. Ansonsten gilt: Händewaschen und Vorsicht reichen.

STANDARD: Wie beurteilen Sie die Maßnahmen an Schulen?

Nepp: Kinder sind laut Regierung nicht die Superspreader. Ich halte die Maskenpflicht in Schulen nicht für sinnvoll.

STANDARD: Der Wahlkampfauftakt der FPÖ am Donnerstag verlief wie früher: hunderte Menschen vor einer Bühne, wenig Abstand bzw. Masken. Wird es diese Events weiter geben?

Nepp: Wir haben einen Wahlkampf geplant mit Großveranstaltungen, Straßenfesten, Beisl- und Heurigentouren. Es ist wichtig, mit der Bevölkerung in Kontakt zu treten. Wir schauen nur, dass es keine zu großen Menschenansammlungen gibt. Solange das nicht gesetzlich verboten ist, werden wir das machen.

STANDARD: Sie haben nach Erscheinen des Ibiza-Videos von "politischem Auftragsmord" gesprochen. Strache haben Sie als politisches Vorbild und Freund bezeichnet, daran würde Ibiza nichts ändern. Was ist passiert, dass all Ihre Aussagen obsolet wurden?

Nepp: Das war mein erster Eindruck nach Erscheinen des Videos. Aber anhand der Ermittlungen der Polizei ist es zu einem großen Spesenbetrugsskandal gekommen. Wenn man die eigenen Leute betrügt, hört sich bei mir die Freundschaft auf.

STANDARD: Wie hoch ist der Schaden für die Wiener FPÖ?

Nepp: Den endgültigen Schaden kann ich noch nicht beziffern. Das Bundeskriminalamt ermittelt. Auch wir sind auf einige Sachen draufgekommen und haben das den Behörden mitgeteilt. Das zieht sich bis 2008 zurück. Mehr will ich nicht sagen. Das ist ein laufendes Verfahren.

STANDARD: Sie waren vier Jahre lang Finanzreferent der Wiener FPÖ. Haben Sie in dieser Funktion versagt?

Nepp: Nein. Wir sind die Betrogenen und wurden getäuscht. Es wurden Belege abgegeben, die plausibel sind. Es gibt 50 Aktenordner mit Belegen beim Bundeskriminalamt, die durchleuchtet werden.

STANDARD: Im Ibiza-Video rühmt sich Strache, durch Gold das Geschäft seines Lebens gemacht zu haben. Auch die FPÖ Wien hat Goldbarren gekauft und in einem Osttiroler Bauernhaus gelagert. Hat Strache der FPÖ mit Gold auch zu Wohlstand verholfen?

Nepp: Das Gold-Investment war eine gute Veranlagung. Schauen wir einmal, wie hoch der Schaden im Gegenwert ist, den Strache verursacht hat.

STANDARD: Sie haben eine Wiedervereinigung mit der Partei von HC Strache als "denkunmöglich" bezeichnet. Bleibt es dabei?

Nepp: Ja. Auch nach der Wahl.

STANDARD: Gibt es noch Kontakt zu Strache und Johann Gudenus?

Nepp: Gar nicht. Gudenus ist mir einmal über den Weg gelaufen.

STANDARD: Kann Gudenus jemals wieder in der FPÖ Fuß fassen?

Nepp: Er hat selbst gesagt, er will nicht zurück. Daher schließe ich das aus.

STANDARD: Sie sind seit Anfang 2018 Vizebürgermeister Wiens. Nach der Wahl werden Sie die Funktion vermutlich verlieren. Wie lautet Ihre Leistungsbilanz?

Nepp: Wir haben viel aufgedeckt. Wir haben zum Beispiel den Skandal rund um das Krankenhaus Nord ins Rollen gebracht und den Rechnungshof angerufen.

STANDARD: Aber das war 2016.

Nepp: Da war ich FPÖ-Klubchef. Wir haben auch eine U-Kommission zu Vereinen eingesetzt, wo es Querfinanzierungen von Rot, Schwarz und Grün gegeben hat.

STANDARD: Die FPÖ erreichte 2015 fast 31 Prozent. Laut Umfragen liegt Ihre Partei derzeit bei etwa zehn Prozent. Auf welche finanziellen Einbußen muss sich die Partei einstellen?

Nepp: Wir haben immer gut gewirtschaftet und Reserven und Rücklagen gebildet. Wir sind gewappnet, da habe ich keine Sorge.

STANDARD: Gibt es ein Ergebnis, wo Sie zurücktreten werden?

Nepp: Jetzt trete ich einmal zum ersten Mal an. Das wird ein gutes Ergebnis sein. Ob es 11, 15 oder 20 Prozent sein werden, wird man sehen.

STANDARD: Im FPÖ-Wahlprogramm fordern Sie die Separierung von "nicht integrierten, aggressiven und gewalttätigen Schülern" in "Besserungszentren". Was soll das sein?

Nepp: Es gibt ja schon Jugendzentren, wo auch mit gewaltbereiten Jugendlichen gearbeitet wird. Nach unserem Modell sollen Ärzte und Sozialarbeiter mit den Jugendlichen arbeiten.

STANDARD: Das heißt, Schüler sollen in Jugendzentren untergebracht werden? Es gibt in Österreich eine Unterrichtspflicht.

Nepp: Natürlich gibt es eine Bildungspflicht. Gerade diese darf man nicht vernachlässigen für jene, die gestört werden. Mit denen, die stören, muss man im Rahmen der Schulpflicht daran arbeiten, dass sie wieder in den Unterricht können. Grundsätzlich sehen wir, dass es vor allem im Migrantenbereich ein Aggressionspotenzial gibt. Und da muss man hinschauen.

STANDARD: Sie haben ÖVP-Chef Gernot Blümel beim FPÖ-Wahlkampfauftakt scherzhaft willkommen geheißen. Warum?

Nepp: Ich sehe das ÖVP-Wahlprogramm als Wahlempfehlung für das Original, nämlich für die FPÖ. Wenn Blümel selbst sagt, dass die FPÖ bei Integration und Sicherheit richtig gelegen ist, dann sage ich: Herzlichen Dank. (Interview: Vanessa Gaigg, David Krutzler, 12.9.2020)