Wien – Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) warnt in drastischen Worte vor einer weiteren Ausbreitung der Corona-Pandemie in Österreich. "Was wir gerade erleben, ist der Beginn der zweiten Welle. Die Ansteckungszahlen nehmen von Tag zu Tag zu", so der ÖVP-Chef in einem schriftlichen Statement. An die Bevölkerung richtet er den "dringenden Appell", sich an die Maßnahmen zu halten.

"Waren es vor zwei Wochen noch rund 350 Ansteckungen pro Tag, lagen wir gestern bereits bei über 850. Besonders dramatisch ist die Entwicklung in Wien, wo rund 50 Prozent aller Neuinfektionen in Österreich verzeichnet werden. Und wir werden bald die Marke von 1.000 Neuansteckungen pro Tag erreichen", so die Erwartung des Kanzlers.

Sebastian Kurz will, dass die Österreicher die Maske zücken.
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"Ich bitte die Bevölkerung, dass sie alle Maßnahmen einhält, soziale Kontakte reduziert, den Mund-Nasen-Schutz trägt und überall so gut als möglich Abstand hält", appellierte Kurz. Insgesamt aber bleibt der Regierungschef bei seiner Ende August geäußerten Einschätzung, dass Licht am Ende des Tunnels zu sehen sei – und auch, dass der Sommer im kommenden Jahr wieder weitgehend normal sein werde. "Aber es wird für uns alle ein harter Herbst und Winter werden. Daher sind wir jetzt alle aufgerufen und gefordert, mit gleicher Disziplin und Rücksicht wie im Frühjahr, auch die Herausforderungen der kommenden Monate gemeinsam zu meistern."

Seit Samstag lediglich 149 Neuinfektionen in Wien

Am Sonntag sind von der Landessanitätsdirektion Wien und dem medizinischen Krisenstab der Stadt lediglich 149 Neuinfektionen gemeldet worden. Am Tag zuvor hatte diese Kennzahl noch 444 betragen.

Mit Stand Sonntag (8.00 Uhr) sind in Wien 10.804 positive Testungen durchgeführt worden. Die Zahl der mit dem Virus in Zusammenhang stehenden Todesfälle beträgt mittlerweile 230, nachdem eine 88-Jährige verstorben ist. 137 Personen befanden sich in Spitalsbehandlung, davon 24 auf Intensivstationen. Am Samstag wurden in Wien 4.433 Corona-Tests vorgenommen, das macht insgesamt 363.619 Testungen.

Die Zahl der Neuinfektionen ist nicht nur in Wien, sondern in ganz Österreich deutlich zurückgegangen: Am Sonntag meldeten Innen- und Gesundheitsministerium 463 Fälle, was nur etwa der Hälfte der 869 positiven Testergebnisse von Samstag entspricht.

Bisher gab es in Österreich 33.159 positive Testergebnisse. Mit Stand von Sonntag (9.30 Uhr) sind 756 Personen an den Folgen des Corona-Virus verstorben und 26.760 wieder genesen. Derzeit befinden sich 226 Personen aufgrund des Corona-Virus in krankenhäuslicher Behandlung, davon 44 auf Intensivstationen.

Regierung trifft Sozialpartner

Die Bundesregierung lädt am Sonntag wegen der steigenden Coronazahlen die Sozialpartner ins Kanzleramt. Wie es aus Kanzleramt hieß, wollen Kurz und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) mit den Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern über die Auswirkungen und Herausforderungen am Arbeitsplatz durch die steigenden Infektionszahlen beraten.

Neben Kurz und Kogler werden Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP), Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), WK-Präsident Harald Mahrer und ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian sowie IV-Präsident Georg Knill und Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Moosbrugger teilnehmen, hieß es. Gegen 16.30 Uhr soll es Statements geben.

SP-Warnung

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner warnte am Sonntag im Vorfeld der Sondersitzung des Nationalrats vor der drohenden Rekordarbeitslosigkeit im Winter. Arbeitsmarktexperten würden mit einem Anstieg auf 500.000 Arbeitslose in den kommenden Wochen rechnen – die höchste Anzahl an Arbeitslosen seit 1946, so Rendi-Wagner. Die Bundesregierung sei jedoch weiterhin tatenlos.

Um den Druck auf Kurz zu erhöhen adressierte die SPÖ-Chefin am Sonntag fünf Fragen an den Kanzler: "Was machen Sie, um einen Negativ-Rekordwinter von 500.000 Arbeitslosen in Österreich zu verhindern? Wie stellen Sie sicher, dass jeder Jugendliche, der eine Lehrstelle sucht, auch eine Lehrstelle bekommt? Wieso blockieren Sie eine dauerhafte Erhöhung des Arbeitslosengeldes von 55 auf 70 Prozent des letzten Einkommens? Warum verweigern Sie als Weiterentwicklung der Kurzarbeit eine geförderte, freiwillige 4-Tage-Woche? Warum verweigern Sie den 'Heldinnen und Helden des Alltags' mit dem 'Corona-Tausender' die finanzielle Anerkennung, die ihnen gebührt?"

Zwei infizierte österreichische KFOR-Soldaten ausgeflogen

Am Samstagabend sind zwei österreichische mit dem Coronavirus infizierte Soldaten der Mission KFOR (Kosovo Force) aus dem Kosovo nach Österreich ausgeflogen worden. Die zu einem "fliegenden Hospital" umgebaute C-130 "Hercules", brachte die zwei Soldaten, einer davon schwer erkrankt, aus der Hauptstadt Pristina sicher zurück in die Heimat, wie das Verteidigungsministerium per Ausendung mitteilte.

Zur medizinischen Betreuung waren ein Arzt sowie Desinfektionsspezialisten der ABC-Abwehr an Bord des Transportflugzeugs der Luftstreitkräfte. Die Landung in Hörsching erfolgte um 19:55 Uhr. Anschließend wurden die erkrankten Soldaten von Fahrzeugen des Roten Kreuzes in Linzer Krankenhäuser zur weiteren medizinischen Behandlung überstellt.

Der Evakuierungsflug wurde vom Kommando Luftunterstützung mit Sitz in Hörsching, Oberösterreich, laut Ministerium vorbereitet und durchgeführt. Dieser Einsatzverband der Streitkräfte sei die ständige "Nabelschnur" für die österreichischen Auslandskontingente zur Heimat. Der Flug verlief problemlos.

Österreich zählt mit rund 300 Soldaten zu den größten Truppenstellern des NATO-geführten Einsatzes. Der Einsatz im Kosovo ist der größte Auslandseinsatz des österreichischen Bundesheeres. Insgesamt hat die KFOR rund 3.500 Soldaten. (APA, 13.9.2020)