Christopher Lindinger im Jahr 2015.

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Nach dem Festival verlässt die Ars Electronica den "Kepler's Garden" am Campus der Johannes Kepler Universität (JKU) in Linz wieder, die Saat der Kooperation und Transdisziplinarität geht aber weiter auf. Vizerektor Christopher Lindinger sprach mit der APA darüber, über die Pandemie, Verschränkung von Wissenschaft und Kunst sowie die gesellschaftliche Relevanz der Unis.

Lindinger wechselte vor einem Jahr von der Ars Electronica, wo er Co-Direktor des Ars Electronica Futurelab war, in das neu geschaffene JKU-Vizerektorat für Innovation und ForscherInnen. Seine Erwartungen seien dabei übertroffen worden. Allerdings habe Corona auch alle Vorstellungen, die man vor einem Jahr hatte, durchkreuzt. "Das letzte dreiviertel Jahr hat mir gezeigt, was für eine Innovationskraft in der Uni steckt", sagte er. Es seien in der Lehre nicht nur technische Systeme eingeführt worden, sondern die Lehrenden hätten auch ihr didaktisches Handlungsrepertoire vergrößert. "Wir haben gesehen, dass die Nutzung von Potenzialen ein wichtiges Element der Digitalisierung ist." Viele Projekte an der JKU hätten versucht, einen Beitrag zur Bewältigung der Krise zu leisten, von der digitalen Absicherung kritischer Infrastruktur bis zur Entwicklung neuer medizinischer Testmethoden sei "viel weitergegangen".

Pandemie erzeugte "Schock"

"Ich glaube, generell hat die Pandemie eine Art Schock erzeugt. Die Starre ist allerdings ausgeblieben, denn wir mussten sehr schnell einen Perspektivenwechsel einnehmen." Diese anderen Sichtweisen seien immer innovationsfördernd. Kreativität, so Lindinger, sei die einzige Gabe, die es Menschen erlaube, sich in unsicheren Situationen zurechtzufinden – und sei damit ein Motor für neue Lösungen.

"Was mich prinzipiell freut, ist, dass während der Pandemie der Stellenwert der Forschung und Wissenschaft und was sie fähig sind zu leisten, in der Öffentlichkeit sehr deutlich wurde. Ich hoffe, dass dieses starke Bild nachhaltig in der Gesellschaft bleibt." Die Politik habe der Wissenschaft einen hohen Stellenwert geben müssen – was sich hoffentlich auch finanziell niederschlage. "Eine vitale Forschungslandschaft ist sehr essenziell für ein Land, das hat man auf jeden Fall gesehen", betonte der Innovationsforscher, Informatiker und Kulturmanager.

Gesellschaftliche Relevanz ausbauen

Die JKU versuche, ihre gesellschaftliche Relevanz stark auszubauen, kooperiert mit der Universität für angewandte Kunst in Wien und der Ars Electronica – über das Festival hinaus. Man teile ein ähnliches Grundverständnis. "Da geht es um die großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, wie die digitale Revolution, die Klimakrise und den demografischen Wandel, um einmal nicht Corona zu nennen." Bei diesen komplexen Konfliktfeldern müsse man akademische Grenzen überschreiten und Transdisziplinarität leben, "nicht als Selbstzweck sondern als wirkmächtiges Werkzeug, mit dem wir diese gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen und den Herausforderungen begegnen können".

Das gemeinsame Manifest "Innovation durch Universitas" mit der Angewandten im vorigen Herbst sei Beginn und Aufruf für die Stärkung einer transdisziplinären Universitätskultur gewesen. Diese Kooperation werde intensiviert, eine engere Verzahnung der Lehre sei geplant, ebenso ein gemeinsames Gebäude in Wien.

Campus-Projekte zum Ausprobieren

Beim Ars Electronica Festival sind auf dem Campus Projekte zu sehen und oftmals auch selbst auszuprobieren, die aus Kooperationen von JKU-Instituten mit Künstlern und Designern entstanden sind. Als Beispiel nennt Lindinger das "Pangolin Scales Dress", ein durch Gehirnströme gesteuertes Schuppenkleid, das aus einer Zusammenarbeit zwischen dem JKU-Institut für Integrierte Schaltungen und der Hightech-Modedesignerin Anouk Wipprecht entstand und bereits internationale Aufmerksamkeit erlangte. Gleichzeitig "stecken in dem Kleid hochinteressante wissenschaftliche Erkenntnisse". Das Brain-Computer-Interface enthält 1.024 Mini-Sensoren statt der üblichen 64, was das Tool auch für therapeutische Maßnahmen interessant macht.

Diese Projekte sind im Rahmen des JKU LIT (Linz Institute of Technology) entstanden, in dessen Gründungsidee ein umfassendes Technologieverständnis verankert ist, "wo es nicht nur um technische Innovation sondern auch um die Wechselwirkung mit der Gesellschaft und die umfassende Sicht auf das Ganze geht."

Technologie als Kernfrage der Bildung

"Universitäten wirken gesellschaftlich am stärksten durch ihre Absolventinnen und Absolventen", meinte der Vizerektor, "deswegen ist es wichtig, dass auch diese Dimension von Technologie eine Kernfrage der Bildung von Studierenden ist." Die JKU habe dabei eine Vorreiterrolle inne, denn im KI-Studium beispielsweise seien die ganzheitliche Betrachtung des Themas, Reflexion und Auswirkungen einzubeziehen ein zentraler Teil. Aus der Sicht von Großkonzernen, mit denen der Innovationsforscher früher arbeitete, gehe es "nicht nur darum, einen humanistischen Gedanken reinzubringen, sondern darum, bessere Produkte zu machen, die besser akzeptiert werden".

Zur angekündigten TU für Digitalisierung meinte Lindinger nur, dass man sich in diesen Tagen viel Inspiration für die Konzeption einer Universität neuer Prägung in Linz holen könne. (APA, 13.9.2020)