Viele der von der Politik verhängten Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Pandemie sind nur zum Teil transparent und durchsichtig gestaltet und kommuniziert. Das schadet der Sache und letztlich der Allgemeinheit.

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Impfstoffe und Medikamente gegen Covid-19 sind unbestritten die wichtigsten und am meisten ersehnten Instrumente, um die Corona-Pandemie unter Kontrolle zu bekommen. Bis dahin aber sind politische verordnete Maßnahmen, die zum Teil tief in den Alltag aller Menschen eingreifen, notwendig. Es zeigt sich immer mehr, dass es dabei auch ganz wesentlich auf Transparenz und offene Kommunikation der Politik mit der Bevölkerung ankommt, damit diese Maßnahmen auch akzeptiert werden. Allerdings hapert es da in vielen Bereichen noch. Eine Auswahl:

CORONA-AMPEL: Politische Entscheidung konterkariert klares Modell

Die Corona-Ampel werde "einen Schub an Transparenz" bringen, sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) über das neue Pandemiepräventionsinstrument. Tatsächlich lassen sich auf der Seite corona-ampel.gv.at komplexe inhaltliche Kriterien für die Empfehlungen des Gremiums nachlesen. Auch die 19 Mitglieder der Kommission sind namentlich, mit Funktion und Zusatz, wer sie entsandt hat, öffentlich bekannt. Demnach nominierte der Bund fünf unabhängige Wissenschafterinnen und Wissenschafter, das Gesundheitsministerium drei, Kanzleramt und Innenministerium je einen Vertreter, plus die Abgesandten der Bundesländer. Auch ist nachzulesen, welche Ampelempfehlung warum einstimmig oder aber nur "mehrheitlich" getroffen wurde.

Dieser unbestrittenen Transparenz steht aber die praktische Anwendung der Ampel entgegen, weil letztendlich die Politik alles entscheidet. Das lässt die Ampelschaltung etwas willkürlich anmuten, zumal die mit Zweidrittelmehrheit gefassten Beschlüsse der Kommission de facto von den politischen Beamten im Gremium abhängen.

Just die komplexen wissenschaftlichen Kriterien werden auch gegen die Ampel ins Treffen geführt, etwa von der FPÖ: "Die unüberschaubare Anzahl an Parametern sind wohl nicht jene Transparenz, die sich Bürger und Wirtschaft erwarten." Auch Wien oder Linz, die in der ersten Runde Gelb bekamen, urgierten transparentere Kriterien.

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REISEWARNUNGEN: Kriterien für Warnungen für Außenstehende zu vage

Aufgrund der Corona-Pandemie werden derzeit weltweit Reisewarnungen für einzelne Länder ausgesprochen. Auch das österreichische Außenministerium führt auf seiner Website auf einer Liste derzeit 32 Länder an, in denen aktuell keine sichere Einreise gewährt ist. Das Ressort unterscheidet dabei drei für Covid-19 relevante Stufen: Vier gilt als hohes Sicherheitsrisiko, bei fünf wird eine partielle Reisewarnung für ein Gebiet ausgesprochen und bei sechs eine Reisewarnung für ein ganzes Land. Nur wie diese Einschätzungen entstehen, da bleibt das Außenministerium vage.

Zwei parlamentarische Anfragen von SPÖ und Neos zum Thema beantwortete Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) erst kürzlich. Da gibt er lediglich an, sich mit Expertinnen und Experten des Gesundheits- und Innenministeriums sowie dem Kanzleramt abzustimmen. Sein Ministerium halte auch regelmäßigen Kontakt zu Auslandsreisenden, Reiseveranstaltern, Fluglinien, Verbraucherschützern sowie EU-Staaten und Drittstaaten.

Die Einschätzung der Sicherheitssituation orientiere sich an den Neuinfektionen, am Testangebot, an der medizinischen Versorgung, an infizierten Reiserückkehrern und auch an Mobilitätskriterien wie Einreiseverboten. Für Außenstehende bleibt aber nicht ersichtlich, welche Überlegungen hinter der Klassifizierung eines konkreten Landes stehen, also warum genau welche Sicherheitsstufe angegeben wird.

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KONTROLLAUSSCHUSS: Kein Einblick in die Vergabe der Corona-Hilfsmilliarden

Insgesamt 50 Milliarden Euro an Hilfsgeldern hat die türkis-grüne Regierung zu Bewältigung der Corona-Krise bereitgestellt. Mit Fortdauer der Pandemie wurden die Töpfe nach und nach größer. Etwa die Hälfte der Gesamtsumme wurde bisher ausgegeben, wie Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) unlängst im ORF-Sommergespräch erklärte. Bis heute lässt sich aber nicht nachvollziehen, wohin die Gelder konkret geflossen sind beziehungsweise noch fließen werden – und ob sie vor allem die erhalten haben, die sie auch wirklich benötigen.

Seit Monaten verlangt die Opposition einen Kontrollausschuss im Parlament, der ihr einen Einblick in die Vergabe der Hilfsgelder gewährt – ohne Erfolg. Vor allem die ÖVP besteht darauf, dass SPÖ, FPÖ und Neos im Gegenzug in den Beirat der Corona-Finanzierungsagentur (Cofag) einziehen. Die Agentur wurde in der Krise vom Bund gegründet und verwaltet mit dem Corona-Hilfsfonds und den Fixkostenzuschüssen fast die Hälfte der Hilfen.

Die Opposition will durch den Einzug in den Beirat nicht zum Feigenblatt werden. Durch ihre Anwesenheit würde sie sich im Ausschuss selbst kontrollieren und die Cofag gegen oppositionelle Kritik immunisieren, so die Befürchtung. Außerdem unterliegt der Beirat der Verschwiegenheitspflicht. Die Opposition verlangt einen davon getrennten Ausschuss für die gesamten 50 Milliarden, die derzeit keiner parlamentarischen Kontrolle unterliegen.

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CORONA-IMPFSTOFF: Unterschiedliche Zeitpunkte, basierend auf Vermutungen

Die Aussicht auf einen Impfstoff ist Grundlage für die Kurswechsel von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in der Corona-Krise. Nun soll bald nicht mehr jeder jemanden kennen, der an Corona verstorben ist, sondern jeder soll jemanden kennen, der gegen das Virus geimpft worden ist. Türkis und Grün übertrumpfen einander aber, wenn es darum geht, wann der Impfstoff verfügbar sein soll. Kurz sagt im Sommer, Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hielt in einer Rede sogar schon das Frühjahr für möglich. Es dürften nicht mehr als Vermutungen sein.

Die Pharmafirmen und Experten, mit denen Kurz spreche, seien der Meinung, dass die Forschung für einen Impfstoff und ein Medikament besser laufe als gedacht, sagte der Kanzler im ORF-Sommergespräch. Das Gesundheitsministerium verwies nach der Rede Anschobers auf eine eigene Aussendung. Darin heißt es wiederum, dass mit der europäischen Impfstoffstrategie vom Juni das Ziel gesetzt wurde, "innerhalb von zwölf bis 18 Monaten" Impfstoffe zu sichern.

Zwischenzeitlich nicht verfügbar waren unter dem einstigen Link auch die Protokolle der Corona-Taskforce des Gesundheitsressorts. Diese wurden nach Kritik an der Intransparenz der Entscheidungsfindung im Ministerium veröffentlicht. Allerdings nur bis 9. April. Weil die zuständige Beamtin nun für die Corona-Ampel zuständig ist, wird das Protokollprojekt derzeit nicht mehr weitergeführt.

(Jan Michael Marchart, Katharina Mittelstaedt, Lisa Nimmervoll, 14.9.2020)