Eminenz Richelieu, Erster Minister unter Ludwig XIII., trug Kardinalspurpur, sein Beichtvater und Berater Père Joseph die graue Kutte der Kapuziner – was Letzteren zum Inbegriff der "grauen Eminenz" gemacht hat.

Manfred Matzka
Foto: Matthias Cremer

Derartige Einflüsterer gibt es bis heute. Auch wenn sie schon lange nicht mehr im Habit eines Ordens auftreten, attestiert ihnen Manfred Matzka doch etliche Gemeinsamkeiten: Diese Personen sind umfassend gebildet, oft sind es Juristen, die meist weitere Qualifkationen aufweisen – Sprachen, künstlerisches Talent, wirtschaftliches Verständnis, historisches Wissen. Sie sind typischerweise eloquent und gute, überzeugende Schreiber. Vor allem aber sind sie nach Matzkas Beobachtung fleißig, konsequent und ausdauernd. Er sieht vor allem die Fähigkeit, sich Mächtigen zu nähern und für sie unentbehrlich zu werden. Er beschreibt sie als erfolgreiche Netzwerker mit (zumindest bis in die jüngere Zeitgeschichte) beachtlichem Charisma.

Abhängige Kanzler und Minister

Seine Darstellung der Strippenzieher im Hintergrund der österreichischen Politik ist nicht nur von historischer Kenntnis, sondern auch von persönlichen Erfahrungen geprägt. Als langjähriger Spitzenbeamter (der selbst acht Ministern und sieben Kanzlern gedient hat) weiß Matzka, was es heißt, "zum Chef" gerufen zu werden: "Auf den 50 Metern bis zum Allerheiligsten blitzschnell Revue passieren zu lassen, mit welchem Journalisten du gesprochen hast, welches Projekt aus dem Ruder zu laufen droht, was heute Früh in der Zeitung zu lesen war, welcher Parteirebell oder Intrigant im Terminkalender steht. ‚Zum Chef‘ impliziert nicht immer einen Beratungsbedarf, es kann auch sein, dass er einfach nur jemanden zum Reden braucht, Frustration am Ende des Tages abarbeitet, eine spontane Idee loswerden will, Mensch sein will inmitten des Offiziellen. ... Seit es Minister gibt, sind sie von solchen Personen abhängig."

Neues Buch
Foto: Brandstätter

Vertraute gekrönter Häupter

Und manchmal waren es auch die gekrönten Häupter, die sich auf Personen wie den Geheimen Rat Johann Christoph Bartenstein (der Karl VI., Maria Theresia und Joseph II. beraten hat) stützen mussten – auch weil es sonst kaum jemanden gegeben hat, dem sie vertrauen konnten. Bartenstein war es, der Maria Theresia die Thronfolge gesichert hat, indem er der Pragmatischen Sanktion, die die weibliche Erbfolge festgelegt hat, auf diplomatischem Weg Anerkennung verschaffte.

Viele Berater entfalteten Wirkungen bis heute – beispielhaft analysiert Matzka die Biografie von Eduard Chaloupka, der nicht nur streng katholischer CVer, sondern auch Mitarbeiter des Sozialdemokraten Oskar Helmer (der ihm durch die Zeit der Nazi-Besetzung half) war und das CV-Netzwerk in der Beamtenschaft etabliert hat. Ab den 1960er-Jahren wird die ausführliche Darstellung schwieriger – es gab (und gibt) nun einfach zu viele Berater: Ab dem Kabinett des Josef Klaus (1964–1970) entwickelte sich die "Republik der Sekretäre", wobei Matzka besonders dem Stab von Klaus (darunter Alois Mock, Josef Taus und Thomas Klestil) hohe fachliche Anerkennung zollt. (Conrad Seidl, 13.9.2020)