Die Friedensgespräche werden in Katar abgehalten.

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Man beginnt sich daran zu gewöhnen, deshalb ist es wichtig, die Fakten immer wieder unmissverständlich zu benennen: Einen Tag nach dem 19. Jahrestag von 9/11 reist ein US-Außenminister an den Golf, um die Gespräche zu zelebrieren, die die Taliban an der Macht in Afghanistan beteiligen sollen. Im Herbst 2001 hatten die USA und die Nato deshalb Afghanistan angegriffen und die Taliban gestürzt, weil die Radikalislamisten, die in Kabul regierten, praktisch mit der Terrororganisation Al-Kaida verschmolzen waren, die die Flugzeugangriffe vom 11. September ausgeführt hatte.

Friedhof der Großmächte

Zynisch könnte man sagen, dass sich die alte Behauptung, dass Afghanistan der Friedhof der Großmächte sei, eben wieder einmal bewahrheitet. Die Amerikaner wollen nach fast zwei Jahrzehnten Krieg, in dem die Taliban nie völlig zu schlagen waren und die unter internationalem Schutz entstandene Regierung in Kabul vielfach enttäuschte, einfach nur raus. Auch dass die Taliban nicht auf einen Haufen mit der panislamistischen Al-Kaida zu werfen seien, sondern als – wenngleich ultrareaktionäre – autochthone paschtunische Bewegung gesehen werden müssten, wurde den diversen US-Regierungen von ihren Experten immer wieder gesagt.

Teil des US-Präsidentschaftswahlkampfs

Wer – wie auch viele deutsche Familien – Angehörige in diesem Krieg verloren hat, wird die Sache nicht so nüchtern betrachten: Wofür genau haben ihre Lieben gekämpft? Und vollends mulmig wird einem, wenn man den Verhandlungsbeginn zwischen Taliban und Kabul als Teil des US-Präsidentschaftswahlkampfs wahrnimmt. Ob dieser Weg wirklich zum Frieden oder in eine neue Katastrophe führt, wird sich nicht mehr in dieser Amtszeit Donald Trumps entscheiden – der bereit ist, nicht nur die Taliban, sondern den Teufel persönlich als Antiterrorwächter am Hindukusch einzusetzen, wenn er dadurch Soldaten heimbringen und ein paar Stimmen holen kann. (Gudrun Harrer, 13.9.2020)