Moskau – Bei den Regionalwahlen in Russland haben alle von der Kremlpartei unterstützen Gouverneure die Abstimmung gewonnen. In allen 18 Regionen hätten die von der Partei Geeintes Russland geförderten Kandidaten die meisten Stimmen geholt, berichtete der Radiosender Echo Moskwy in Moskau am Montag. In den meisten Fällen hatten sich Kandidaten zur Wiederwahl gestellt, die der Regierungspartei angehören.

Es werde keine Stichwahl geben. Für den Kreml ist die Wahl neuer Gouverneure besonders wichtig gewesen, weil Moskau über die Leiter der Regionen direkt Einfluss auf die Politik in den einzelnen Landesteilen nimmt.

Mehrheiten überwiegend verteidigt

Millionen Menschen waren drei Tage lang zur Abstimmung in allen Regionen Russlands aufgerufen. Es ging dabei um Gouverneure, Stadträte, Bürgermeister und um einzelne Abgeordnete der Staatsduma in Moskau, deren Posten aus verschiedenen Gründen nachbesetzt werden mussten. Geeintes Russland hat nach den Ergebnissen lokaler Wahlkommissionen überwiegend ihre Mehrheit verteidigen können.

Die Abgeordnetenmehrheit verloren hat Geeintes Russland allerdings in den Parlamenten der sibirischen Großstädte Nowosibirsk und Tomsk. In Tomsk erzielte die in Russland dominierende Partei nach Auszählung aller Stimmzettel 24,47 Prozent. Das entsprach 11 der 37 Sitze. In Nowosibirsk habe die Partei 44 Prozent der Sitze geholt, meldete die Agentur Interfax. Die Wahl war landesweit von Fälschungsvorwürfen überschattet. Unabhängige Wahlbeobachter sprachen von mehr als 1000 Berichten über mögliche Verstöße bei der Stimmabgabe.

EU erkennt Teil der Wahlergebnisse nicht an

Die EU wird einen Teil der Wahlergebnisse nicht anerkennen. Die Europäische Union habe die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und von Sewastopol durch die Russische Föderation nicht anerkannt und erkenne daher auch die Wahlen auf der Halbinsel Krim nicht an, teilte ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell am Montag mit. Wer in der von Russland organisierten Abstimmung auf der Halbinsel Krim gewählt werde, sei für die EU kein Vertreter der Krim und von Sewastopol. Die Gebiete seien Teil der Ukraine.

Erfolg für Nawalnyanhänger

In Tomsk haben Anhänger Alexej Nawalnys einen Erfolg erzielt. Zwei von Nawalnys Mitarbeitern schafften nach vorläufigen Angaben den Einzug in den Stadtrat, wie die Agentur Interfax am Montag meldete. Die Stadt liegt rund 2900 Kilometer Luftlinie östlich von Moskau.

Die Kremlpartei Geeintes Russland (Einiges Russland) verlor in Tomsk die Mehrheit im städtischen Parlament mit seinen 37 Sitzen.

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Auszählung in Tomsk
Foto: Reuters/Shemetov

"Kluge Abstimmung"

Nawalny hatte vor seiner Vergiftung in der Stadt für seine Strategie der "klugen Abstimmung" geworben. Er rief dazu auf, einen beliebigen Kandidaten zu wählen – nur nicht denjenigen der Kremlpartei. Ziel der Opposition ist es so, das Machtmonopol von Geeintes Russland zu brechen. Der Plan ging im Fall von Tomsk dem vorläufigen Ergebnis zufolge auf. Nawalny hatte auch in Moskau bei den Stadtratswahlen im vergangenen Jahr damit Erfolg.

Einziehen in den Stadtrat von Tomsk werden demnach seine Mitarbeiter Xenia Fadejewa und Andrej Fatejew. Geeintes Russland war zwar immer noch die stärkste Fraktion, aber ohne Mehrheit. Auf Platz zwei landeten die Kommunisten mit 17,55 Prozent der Stimmen. Es folgte die erst in diesem Jahr zugelassene Partei Neue Leute (Nowyje Ljudi), die aus dem Stand 15,06 Prozent erzielte. Die neue politische Kraft, die sich auch für Selbstständige und ökologische Themen einsetzt, verzeichnete zudem in anderen Städten Erfolge.

Schirinowski-Partei

Der Stadtrat von Tomsk gilt nun als ein kleines Parlament in Russland mit dem breitesten Spektrum an politischen Meinungen. Vertreten sind auch die Liberaldemokraten des Ultranationalisten Wladimir Schirinowski, die Partei Gerechtes Russland und die liberale Oppositionskraft Jabloko sowie die Partei des Wachstums. Die Kremlpartei hatte zuvor 21 Mandate gehalten.

Der Kremlgegner Nawalny war auf einem Flug von Tomsk nach Moskau am 20. August zusammengebrochen. Das Flugzeug musste in Omsk zwischenlanden. Dort kam Nawalny in ein Krankenhaus und wurde am 22. August nach Berlin geflogen, wo er seither behandelt wird. Auf ihn soll mit einem als Chemiewaffenkampfstoff verbotenen Nervengift der Gruppe Nowitschok ein Mordanschlag verübt worden sein. Russland bestreitet, etwas mit dem Fall zu tun zu haben. (APA, 14.9.2020)