Der Kampf um die Pressefreiheit stand von Anfang an im Vordergrund der Kritik der EU-Institutionen und der internationalen Journalisten- und Presseverbände an der Aushöhlung des Rechtsstaats durch die Fidesz-Regierung in Ungarn. Die Jahresberichte der internationalen Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen liefern den Beweis, dass dieser Kampf längst verloren wurde. Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Ungarn auf Platz 89 von 180 Staaten – vor Viktor Orbáns Amtsantritt 2010 stand das Land noch auf Rang 23.

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán.
Foto: imago/Reiner Zensen

Nun hat der von der langjährigen Anwältin der Orbán-Familie geleitete und von verlässlichen Fidesz-Anhängern besetzte allmächtige Medienrat bekanntgegeben, dass (mit einem fadenscheinigen Vorwand) die Lizenz des letzten unabhängigen Rundfunksenders, Klubrádió, ab Ende Februar nächsten Jahres nicht mehr verlängert und die Frequenz neu ausgeschrieben wird.

Die Sendungen des Radios konnten seit Jahren in Folge der Entziehung der Lizenzen nur in Budapest empfangen werden. Viele der rund 250.000 Hörer haben durch finanzielle Zuwendungen den Sender am Leben erhalten, da in Ungarn regimekritische Medien mit keiner privaten Werbung rechnen können. Der Schlag gegen das Klubrádió fügt sich ins Konzept des Orbán-Regimes, eine einheitliche, nationale Lenkung für Ungarns Kultur, Wissenschaft und Medien im Zeichen von "Nation, Heimat und Christentum" durchzusetzen.

Regierungslinie

Nach einem Jahrzehnt der Fidesz-Herrschaft, die der Soziologe Bálint Magyar als einen "postkommunistischen Mafiastaat, geführt nicht von einer Partei, sondern von einem Familien- und Freundesklan um Viktor Orbán" beschreibt, können nur sehr wenige wirklich unabhängige Zeitungen mit kleiner Auflage beziehungsweise Nachrichten-Websites mit beschränkter Reichweite existieren. Deshalb hat der erfolgreiche Versuch, durch einen Besitzerwechsel das wichtigste unabhängige Nachrichtenportal Index auf Regierungslinie zu bringen, einen Aufstand der Redaktion und internationale Proteste ausgelöst. Dieses größte unabhängige Portal Ungarns hatte 1,5 Millionen täglichen Seitenbesuche.

Dass die Flurbereinigung in der Medienwelt von oben forciert wird, beweist die fristlose Entlassung des Chefredakteurs der linksliberalen Wochenzeitung "168 Stunden" wegen der Veröffentlichung eines Fotos der Orbán-Familie. Im Hintergrund will der von der Regierung großzügig finanzierte Oberrabbiner Slomó Köves von einer winzigen chassidischen Gemeinde als Mitbesitzer durch einen wachsenden Druck auf regimekritische Redakteure eine Richtungsänderung erzwingen.

Die Regierung hat auch eine politisch günstige finanzielle Abmachung mit Sándor Németh, dem geistigen Leiter einer freien Pfingstgemeinde und Besitzer des unabhängigen TV-Senders ATV, geschlossen. Németh sorgt seitdem für Boulevardisierung der Programme und die Entschärfung der regimekritischen Sendungen. Als Tabuthema gilt bei den von der Regierung indirekt kontrollierten Medien die wuchernde Korruption, vor allem die Bereicherung der Orbán-Familie und ihrer Freunde. Zugleich soll eine kostspielige Kampagne im Ausland für eine Verbesserung des ramponierten Images der Orbán-Regierung sorgen. (Paul Lendvai, 15.9.2020)