Die Fertigung von Nutzfahrzeugen in Steyr hat eine mehr als 100-jährige Tradition, aber offenbar keine Zukunft. Entgegen früherer Erwartungen soll das dortige MAN-Werk bis 2023 geschlossen werden, wenn es nach dem Management des Lkw-Konzerns geht. Dies wurde Belegschaftsvertreter aus Oberösterreich am Freitag in München bestätigt, berichtet Erich Schwarz, Arbeiter-Betriebsratschef bei MAN Trucks & Bus in Steyr. Demnach prüft der Konzern, ob die bestehenden und bis 2030 geltenden Standort- und Beschäftigungssicherungsverträge für Steyr vorzeitig gekündigt werden können.

Die Gewerkschaften wollen um den MAN-Standort in Steyr kämpfen.
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Schwarz warte nun auf Nachrichten aus der Chefetage am Standort Steyr. Diese Woche dürften Betriebsversammlungen abgehalten werden, die Informierung soll an den Standorten in Österreich und Deutschland möglichst gleichzeitig erfolgen. Die Gewerkschaften Proge und GPA-djp kündigten bereits an, mit allen Mitteln um den Standort Steyr kämpfen zu wollen. Sie forderten auch die Bundesregierung auf, sich für dessen Erhalt einzusetzen.

Angespannte Stimmung

Die Nachricht von der geplanten Werksschließung kommt für die Gewerkschaften im Vorfeld der Metaller-Herbstlohrunde zur Unzeit, zumal die Stimmung in der Branche angesichts der Corona-Krise und der Probleme der Automobilbranche ohnedies hochgradig angespannt ist. Neben der insolventen ATB Spielberg, wo Mitarbeiter am Montag in Wien für den Erhalt ihrer Produktionsstätte und Arbeitsplätze demonstrierten, hatte der Stahlkonzern Voestalpine schon im August angekündigt, in der Steiermark bei bis zu 550 Jobs den Rotstift anzusetzen.

Just in dieser Situation sollen ab Monatsende die Sozialpartner für einen Lohnabschluss der Metaller im Corona-Jahr 2020 zusammenfinden. Oder auch nicht, wenn es nach den Vorstellungen der Arbeitgeber geht – diese wollen die Verhandlungen nämlich gleich ins nächste Jahr verschieben. "Es gibt nichts zu verteilen", beteuert Christian Knill, Obmann de Fachverbands Metalltechnische Industrie. Er sieht heuer "keinerlei Spielraum für irgendwelche Erhöhungen" und macht auch für 2021 keine großen Versprechungen: "Wir werden uns im nächsten Jahr die Situation anschauen und dann verhandeln."

Im August wurde vor dem ATB-Betriebsgelände in Spielberg demonstriert, am Monatg in Wien.
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Allein, auf diese Weise wollen sich die Gewerkschaften Proge und GPA-djp nicht abspeisen lassen – sie erteilen Knills Vorschlag eine "klare Absage" und pochen auf die traditionelle Forderungsübergabe am 24. September. Wobei eine Nulllohnrunde für das Verhandlerteam nicht in Frage kommt. Offiziell werden "nachhaltige Lohn- und Gehaltserhöhungen" angestrebt – de facto wird es wohl darauf hinauslaufen, dass sich die Arbeitnehmervertreter die Inflation abgelten lassen wollen. Dies soll die Kaufkraft der Beschäftigten sichern und eine wirtschaftliche Abwärtsspirale verhindern. Im Juli schnellte die Teuerung in Österreich zwar auf 1,7 Prozent hoch, für das Gesamtjahr wird deutlich weniger erwartet.

Einbruch der Produktion

Von einer Inflationsabgeltung will Fachverbandsobmann Knill nichts wissen, auch eine Arbeitszeitverkürzung lehnt er "als Form einer Lohnerhöhung" ab. Vielmehr sieht er die Branche die schwerste Krise in der Nachkriegszeit durchleben, die Produktion soll im Gesamtjahr 2020 um fast ein Fünftel zurückgehen. Für nächste Jahr erwartet Knill nur eine schaumgebremste Erholung, die nur etwa die Hälfte des heurigen Einbruchs wettmachen werde. Um wieder auf das Niveau des Jahres 2019 zurückzukehren, werde es drei bis vier Jahre dauern. "Die größte Herausforderung ist der Auftragsrückgang", sagt der Fachverbandsobmann.

Ungeachtet der angekündigten oder erfolgten Werksschließungen und Stellenstreichungen verweist Knill auf eine Mitgliederbefragung, wonach viele der etwa 1200 Branchenunternehmen Jobs abbauen wollen: "Wir rechnen in unserer Branche mit etwa 10.000 Beschäftigten weniger." Derzeit sind es Knill zufolge noch 140.000 Arbeitnehmer, etwa ein Viertel der Firmen werde ab Oktober noch in Kurzarbeit sein.

Für die Gewerkschaften werden die Verhandlungen zu einem Drahtseilakt. Sie hoffen auf ein ähnliches Ergebnis wie in der Elektro- und Elektronikindustrie, wo Mitte Mai – auf dem Höhepunkt der Corona-Krise – ein 1,6-prozentiges Lohnplus vereinbart wurde. Aber eines ist für sie klar: Ab 24. September wird verhandelt. (Alexander Hahn, 14.9.2020)