Ausgerechnet unser höllischer Nachbar als Heimat von Leben? Eine aktuelle Entdeckung facht Spekulationen an.

Illustration: ESO/M. Kornmesser & NASA/JPL/Caltech

Unser innerer Nachbarplanet ist eine ungemütliche Welt. Die dichte Gashülle der Venus, die hauptsächlich aus Kohlendioxid besteht, sorgt nicht nur für einen Druck von mehr als 90 Bar auf der Oberfläche – vergleichbar mit dem Druck in 900 Meter Meerestiefe. Sie erzeugt auch einen extremen Treibhauseffekt, rund 460 Grad Celsius heiß ist es auf dem Planeten. Dementsprechend gilt die Venus nicht unbedingt als aussichtsreicher Kandidat für Leben.

Forscher spekulieren allerdings schon länger darüber, ob die Wolken der Venus robuste Mikroben beherbergen könnten. Jetzt gab ein internationales Forscherteam im Fachblatt "Nature Astronomy" die Entdeckung eines seltenen Moleküls bekannt, das ein Hinweis darauf sein könnte: Phosphin. Auf der Erde wird dieses Gas industriell oder von Mikroben hergestellt.

Potenzielle Lebensspur

Phosphin, das wissenschaftlich korrekt eigentlich Monophosphan heißt, besteht aus Wasserstoff und Phosphor. Unter Astronomen gilt es als vielversprechender Kandidat für eine Biosignatur. Das sind chemische Verbindungen, deren Quelle lebende Organismen sind. Biosignaturen spielen daher eine wichtige Rolle bei der Suche nach außerirdischem Leben.

Wie Phosphin in der Venusatmosphäre gelangen könnte, ist bislang unklar. Eine mögliche Erklärung, die die Wissenschafter derzeit nicht ausschließen können, ist, dass außerirdisches Leben dahintersteckt. Möglich ist aber auch, dass ein bislang unbekannter photochemischer oder geochemischer Prozess das Phosphin in der Venusatmosphäre hervorgebracht hat.

Schwierige Ursachenforschung

"Als wir die ersten Hinweise auf Phosphin im Spektrum der Venus erhielten, war das ein Schock", sagt die Teamleiterin Jane Greaves von der Universität Cardiff in Großbritannien über die Entdeckung, die mit dem James-Clerk-Maxwell-Teleskop auf Hawaii gelungen ist. Bestätigt wurde der Fund vom Atacama-Large-Millimeter/Submillimeter-Array-Teleskop (ALMA) in Chile. Das Team hat daraufhin versucht, natürliche, nicht-biologische Prozesse zu finden, durch die Phosphin in die Venusatmosphäre gelangen könnte.

Auf der Venus gibt es nach wie vor aktiven Vulkanismus, durch den Mineralien in die Atmosphäre gelangen könnten. Wäre das eine mögliche Quelle? Andere Ideen umfassten photochemische Prozesse durch Sonnenlicht oder Blitze und andere atmosphärische Phänomene. Doch keines der Szenarien reicht nach Ansicht der Forscher für die Menge an Phosphin aus, die nun festgestellt wurde.

Weitere Studien

Als Beweis für außerirdisches Leben auf der Venus wollen die Forscher ihre Beobachtung aber nicht interpretiert wissen. Vorerst lässt sich nur sagen, dass es bisher unbekannte Prozesse geben muss, die für das Phosphin verantwortlich sind. Spektakulär ist die Entdeckung aber zweifellos. "Es ist unerlässlich, diese aufregenden Ergebnisse mit theoretischen und beobachtenden Studien weiterzuverfolgen, um die Möglichkeit auszuschließen, dass Phosphin auf Gesteinsplaneten auch einen anderen chemischen Ursprung haben könnte als auf der Erde", kommentierte der Astronom Leonardo Testi vom European Southern Observatory (Eso), der nicht an der Studie beteiligt war, die Ergebnisse.

Um den Verdacht auf außerirdisches Leben zu bestätigen oder zu entkräften, braucht es weitere Beobachtungen der Venus und anderer Gesteinsplaneten. Das Extremely Large Telescope der Eso, das demnächst in Betrieb geht, könnte dabei weitere Hinweise liefern. Messungen von Gesteinsplaneten außerhalb unseres Sonnensystems könnten Aufschluss darüber geben, welche anderen Prozesse Phosphin hervorbringen, die uns bislang noch nicht bekannt sind. Wie immer in der Astronomie gilt: Es bleibt spannend. (Tanja Traxler, David Rennert, 14. 9 .2020)