Die orange Ampelphase ist derzeit nicht durch konkrete Maßnahmen definiert.

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Österreich fragt sich: Was passiert bei Orange? Und findet keine Antwort. Da schaltet die Corona-Ampel-Kommission Montagabend mehrere Städte und Bezirke auf Orange, darunter auch ganz Wien – aber im Grunde weiß niemand so recht, was Orange nun eigentlich bedeutet. Sollen Oberstufenschüler jetzt daheim bleiben? Werden bestimmte Veranstaltungen abgesagt? Rückt die Sperrstunde nach vorne? Fragen, die unmittelbare Auswirkungen auf den Alltag hunderttausender Menschen haben.

Wer sich von der staatlichen Ampel-Website Informationen erhofft, wird enttäuscht. Wo kürzlich noch Erklärungen zu finden waren, was bei welcher Farbe passieren soll, sind diese Informationen nun verschwunden. Liest man frühere Berichte darüber, stellt man fest: Einige Maßnahmen, die regional erst ab Gelb gelten sollten, wurden inzwischen bundesweit verordnet – obwohl die meisten Bezirke doch gar nicht gelb, sondern nur grün waren. Was würde sich mit der jüngsten Entscheidung der Ampelkommission also konkret ändern? Auch der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker weiß nicht mehr: Es sollen wohl Empfehlungen von der Ampelkommission kommen, aber er kenne sie noch nicht.

Symbolische Ampelschaltung

Die Corona-Ampel ist derzeit in einem Zwischenzustand, sie existiert und sie existiert nicht: Sie leuchtet zwar deutlich sichtbar, ihr Leuchten hat aber rechtlich gesehen keine Konsequenz; mit ihren Schaltungen gehen keine Maßnahmen einher. Dazu fehlt der Ampel die rechtliche Grundlage, die Gesetze sind erst in Vorbereitung. Inzwischen regelt der Bund, was er jetzt schon regeln darf. Die Ampelschaltungen haben einstweilen also bloß Empfehlungscharakter – eine Ampel, die symbolisch schaltet.

Doch selbst wenn man bereit ist, sich an Empfehlungen symbolischer Ampelschaltungen zu halten: Versteht jemand die aktuelle Strategie hinter der Ampel? Warum stuft man ganze Städte symbolisch auf Orange, alarmiert damit die Menschen – und sagt ihnen nicht, was das nun genau bedeutet und was sie in den betroffenen Gebieten nun verstärkt tun können, um ihren Beitrag zur Eindämmung der Pandemie zu leisten? Auch ist unklar, wie diese Entscheidung der Ampelkommission zustande gekommen ist: Haben sich die politisch besetzten Mitglieder der Kommission durchgesetzt? Oder sind Infektionszahlen und Übertragungsrisiko in den betroffenen Regionen ausschlaggebend gewesen? Es fehlt an einer klaren Begründung der Kommissionsempfehlung.

Auch die jüngste Kommunikation der Regierung sorgt nicht für Klarheit. Erst sei "Licht am Ende des Tunnels" zu sehen – und schon wenige Tage später "erleben wir den Beginn der zweiten Welle", wie es Bundeskanzler Sebastian Kurz formuliert hat. Zudem gibt es innerhalb der Koalition recht unterschiedliche Sichtweisen, erst in der Vorwoche wurde Orange für Wien im Gesundheitsministerium kritisch gesehen, während das Bundeskanzleramt dazu gedrängt haben soll.

Diese Unklarheit ist riskant. Mit jeder neuen Verwirrung droht Gefahr, dass viele Menschen die Empfehlungen und Verordnungen irgendwann nicht mehr ernst nehmen. Um die Corona-Krise in den Griff zu bekommen, muss die Regierung jetzt die Corona-Ampel reparieren. Sonst steuern wir zielgerichtet auf das zu, was die Ampel eigentlich verhindern sollte. (Martin Kotynek, 15.9.2020)