Komponist Bernhard Gander verbindet Metal mit Moderne.

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Die finale Phase hat begonnen, das Ende aller Tage naht. Einen Kometeneinschlag wird es nicht brauchen, ihr Lieben, und Corona wird nicht der Untergang sein. Der Homo sapiens selbst modelliert das Ende der blutenden Erde und damit sein eigenes. Hört also den Propheten mit seinem Todesröcheln! Bei den Wiener Festwochen verschenkt er seine Warnungen im Museumsquartier grölend und gestenreich im Rahmen der Komposition Oozing Earth. Sie stammt von Bernhard Gander.

Gander hat dem Sänger Attila Csihar das Ensemble Modern mitunter als große Metal-Gitarre zur Seite gestellt. Das Kollektiv wuchtet düstere Monsterriffs, zelebriert komplexe Rhythmen und Metren oder demonstriert Virtuosität mit hummelflugartiger Linearität.

Der Klangexzess

Es ist in Komplexität verpackte archaische Wucht, durchbrochen von Bläsersoli und jazzigen Einwürfen. Mit dabei an der Steckdose des Weltuntergangs als Zusatzenergetiker Schlagzeuger Kevin Paradis, der den Klangexzess rund um die "triefende Erde" mitbefeuert.

Aus dieser wild gewürzten orchestralen Ursuppe (dirigiert von Bas Wiegers), die sich mit Black Metal und Death Metal zu versöhnen sucht, steigt Ausdruckskönner Attila Csihar auf – mit elegisch entrücktem Balladenton. Gern reist er allerdings auch zehn Oktaven tiefer und klingt grimmig, als hätte er der Hölle eine Stimme verliehen. Er ist der Gruselmoderator, die maskierte Kassandra mit Irokesenflair, die allerdings nicht verhindern kann, dass sich das Opus nach 40 Minuten an sich selbst zu erschöpfen droht.

Der Magen winselt

Im Rückblick schien Oozing Earth – im Vergleich zur Band Gravetemple danach – ein zierliches Stück gewesen zu sein. Die Gitarristen und Soundkünstler Stephen O’Malley und Oren Ambarchi plus (der nun unmaskierte) Sänger Attila Csihar wollten das Ende der Erde nicht abwarten. Es tönte, als wären sie im Weltraum auf der Suche nach neuem Lebensraum unterwegs. So bekam der Hörer, im Maschinenraum des Raumschiffs, eine Ahnung von den unendlichen Weiten nicht nur des Sounds. Ja, der Stuhl vibrierte, der Magen winselte um Gnade ob der tiefen Frequenzen, und doch: Es war eine Musik der schmerzhaften Poesie, ohne Anfang und Ende, aber mit gewissem Dezibelzauber. (Ljubiša Tošic, 15.9.2020)