Smarte Räume regulieren, basierend auf Sensordaten, eigenständig Klima, Beleuchtung und Akustik.

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Mensch und Maschine – eine innige Beziehung, die nicht immer funktioniert: Jeder hat vermutlich schon einmal mit einer Technologie geschimpft, weil sie nicht so funktionierte, wie man es gerne gehabt hätte.

In der jüngeren Vergangenheit sind solche Wutausbrüche möglicherweise rarer geworden – zumindest versuchen Forscher, die Beziehungen zu unseren technischen Begleitern stetig zu verbessern. "Wir bemühen uns darum, Technik an verschiedenste Nutzer anzupassen", sagt Guido Kempter, Leiter des Forschungszentrums Nutzerzentrierte Technologien der FH Vorarlberg in Dornbirn. "Das kann man auf unterschiedlichsten Wegen erreichen."

Der herkömmliche Weg ist typische Entwicklungsarbeit: Produkte, ob Hard- oder Software, werden konzipiert und von Nutzern dem Praxistest unterzogen. Ausgehend von der jeweiligen Rückmeldung werden die Stellschrauben neu justiert, und es wird wieder getestet – bis es irgendwann passt.

Kempter: "Es kann aber unter Umständen sehr aufwendig werden, das ganze Feedback zu bekommen. Wir haben uns deshalb gefragt: Geht das vielleicht auch anders?" Eine Antwort war schnell gefunden: Ja, es geht womöglich – mithilfe von künstlicher Intelligenz. Schließlich sind viele Systeme inzwischen in der Lage, mitzudenken, und daher auch theoretisch fähig, sich selbst zu optimieren.

Selbstoptimierung

Zu Beginn beschäftigten sich Kempter und sein Team mit der Gestaltung von klassischen User-Interfaces. Die perfekte Bedienungsoberfläche baut die KI aber nicht allein. Um schließlich selbst handeln zu können und sich zu verbessern, braucht das System vor allem eines: Informationen.

Daher galt es, das Nutzerverhalten auf verschiedenen Wegen zu analysieren. Die sichtbarsten Ergebnisse liefert natürlich die Bedienung: Kommt der Nutzer schnell zu seinem Ziel? Oder geht er Umwege? Interagiert er schnell und effizient mit dem Programm? Oder braucht er länger, um sich für eine Option zu entscheiden?

Aber auch andere Informationen wie Hautleitfähigkeit und Pulsschlagaktivität der User wurden beim Umgang mit dem Interface ermittelt und an das Programm weitergeleitet: "Mit diesem Feedback versucht das System, eine Ausgestaltung der Benutzeroberfläche zu finden, mit der die gewünschten Zielwerte am besten erreicht werden.

Verbesserte Leistung

Konkret kommen dabei verschiedene Algorithmen zum Einsatz, die auf ähnlichen biologischen Prozessen basieren: "In der Natur finden sich ständig solche Selbstoptimierungsprozesse. Wir empfinden damit im Prinzip die Evolution in der Technik nach." Daher wird am Ende auch hier nur das System übernommen, das sich am besten den Anforderungen anpasst.

Die Vorarlberger Forscher gingen aber noch einen Schritt weiter: Nach den Interface-Experimenten hat man die Erkenntnisse auf die Entwicklung von smarten Räumen angewendet, die, basierend auf Sensordaten, eigenständig Raumklima, Beleuchtung und Akustik regulieren, um ein möglichst produktives Arbeitsklima zu schaffen.

Die Anpassungen werden dabei aber so dezent und fließend vorgenommen, dass die Probanden die Veränderungen kaum bemerken: Laut Kempter werde die Optimierung meist erst in einem Vorher-Nachher-Vergleich deutlich.

Ebenso unbemerkt verbesserte sich häufig auch die Leistung der Mitarbeiter: Die Wissenschafter verzeichneten Steigerungen von bis zu einem Drittel. Aber nicht nur in einzelnen Büroräumen wird experimentiert: Inzwischen versucht man auch, größere Komplexe zu optimieren. In einem Experiment wurden zuletzt über einen Zeitraum von 13 Monaten mehrere Pflegestationen verknüpft und reguliert.

Raumstimmungen

Untersuchungen hätten aber auch gezeigt, dass selbst kaum technikaffine Senioren durchaus bereit sind, sichtbare Innovationen wie Pflegeroboter zu er proben. "Anfängliche Akzeptanzprobleme liegen in der Natur der Sache. Wir haben grundsätzlich mit größten Widerständen gerechnet, das war aber nicht der Fall", berichtet Kempter.

Da ihn die Pensionistinnen und Pensionisten also weitermachen lassen, beschäftigen sich Kempter und seine Kollegen derzeit in einem von der EU und dem Innovationsministerium geförderten Projekt mit einer Raumtechnologie für Menschen mit Demenzerkrankung: Das System soll mithilfe von intelligent automatisierten Raumstimmungen durch Licht-, Schall- und Geruchseffekte die individuelle Tagesstruktur der Patienten stärken.

Gleichzeitig birgt diese Technologie die Chance, die Automatismen von nicht mehr rational durchschaubaren Verhaltensweisen zu entschlüsseln und in der Folge die Atmosphäre im Zimmer angenehm zu gestalten.

Zur Not: Stecker ziehen

Das klingt so weit alles erfreulich. Aber bringt sich die Technik dabei nicht sogar zu viel bei? Wenn die Systeme immer selbstständiger werden, gibt man vielleicht irgendwann vollständig die Kontrolle ab? Kempter entgegnet: "Künstliche Intelligenz weiß nicht, wohin sie sich optimieren muss. Bei fast allen künstlichen Systemen muss der Mensch weiterhin das Ziel vorgeben. Danach entscheiden sie selbst, wie diese Ziele erreicht werden können."

Und falls es doch einmal überhandnehmen sollte, verweist Kempter auf seine Erfahrung im Seniorenheim mit manchem befremdeten Benutzer: "Die Technologie hat auch immer noch einen Stecker, den man herausziehen kann." (Johannes Lau, 27.9.2020)